Jakob Querengässer

VI. Wie bist du, meine Königin, mir gar so untreu worden.

 

Beim Lisettenlied hatte der Pfarrer etliche Mal einen roten Kopf bekommen. Für den Modelleur war das Lied der Probierstein gewesen zur Prüfung des Pastorherzens auf seine Wünsche und Hoffnungen.

Es hat gewetterleuchtet“, dachte er. „Mich hat ein scharfer Strahl getroffen, und Seine Heiligkeit hat auch im Feuer gestanden. Genug, mein in der Jugend verunglückter Geselle! Nun kenn ich mich aus. Nur über unsern Dritten bin ich noch im Dunkeln.“

Freilich! Das ist das irrlichternde Fragezeichen, das tagscheue! —

Vom Lisettenlied her trug der Pfarrer den Funken in der Brust. Und von da drinnenheraus flammte es manchmal zum Gesicht hinauf.

Hartherzigkeit hatte einstmals der Herr Pfarrer für sich und den Herrn Querengässer abgewiesen. Beide befanden sich nunmehr in einem Herzenszustand, der sich nicht recht mehr verheimlichen ließ. Die Empfindlichkeit ihrer Herzen war bereits unter dem Eindruck der Lisette zu einem Zustand nach einer bestimmten Richtung hin gediehen, der sich zum Leiden auszubilden drohte. Diese beiden ältlichen Knaben waren wie Zunder ins Glimmen gekommen. Und ohne Widerstand schritt die Entzündung fort. Wann wird die Flamme herausschlagen? —

Das Schicksal hatte sich den Scherz erlaubt, den Herrn Querengässer im Fass kalt zu stellen. Umsonst! Der Zunder war nicht tot zu bringen gewesen.

Und der Herr Pfarrer hatte bereits schwer zu leiden. — Wenn er einsam in seiner Studierstube auf- und abschritt und sein Auge sich bald nach oben richtete, als ob die Decke über ihm im Schatten und Nebel zerrinne zum Aufschwung nach dem Olymp, oder nach unten sich bohrte wie in Sehnsucht nach Vernichtung in der Hölle: da blieb er öfter wie vor einem sich plötzlich auftuenden Abgrund erschrocken stehen und rief mit markerschütternder Donnerstimme: „Halt!“ —

Aber da half kein Kommando. Über dem Pfarrer gab's kein Loch zum Aufschwung und unter ihm kein's zur Höllenfahrt. Die Decke und der Fußboden und die vier Wände blieben genau so unveränderlich wie gestern. Darüber hinaus brachte er's nicht. Es wollte sich aber auch nicht für ihn machen, aus der Haut zu fahren.

Wenn so ein kraftvoller ältlicher Junggesell einmal in Liebesglut geraten ist, so wird er in seinem Gemüt unbändig.

Der Herr Pfarrer blieb in seiner Studierstube wieder stehen und begann zu declamieren wie ein Sekundaner.

 

Ferne im Orient

Strebt eine Ceder

Hochauf zum Firmament — —

 

Nichts das! Zu hartes Holz! — Gleichwohl kein übles Bild! — Aber für Fräulein Lisette zu hochfliegend.“

Der Herr Pfarrer riss die Stübentür auf und gewann für sein Auf und Nieder eine längere Bahn. Lisette, seine Königin, saß da vor ihm auf dem Thron und schob sich wie auf einem Postament mit vier Rädern vor ihm mit auf und ab, so dass er sich justement vorkam wie ein armer Teufel auf der Schlosswache.

Endlich schlug er die Tür hinter sich zu und blieb vor seiner Königin auf den vier Rädern grüblerisch stehn, gesenkten Hauptes, mit der rechten Hand im Brustlatz.

Da flossen ihm wieder etliche Verse laut über die Lippen.

 

Maßliebchen auf der grünen Au

Träumt süß im Sternenschein,

Trinkt Himmelsglanz und kühlen Tau

Und möcht gebrochen sein.

 

Ist zu kühl! Herr Gott, ich glühe wie ein Vulkan! Da passt der Tau nicht her. — O, großer Schiller, wie beneid ich dich! — Dir flossen die Verse vom Zeug, wie in der Sage die Milch vom Euter der großen Ziege. — Sind wir arme Tröpfe!“

Der Herr Pfarrer warf sich auf einen Stuhl und ließ den Arm müde vom Tisch hängen. Es ging was in ihm vor, denn wie versteinert starrte er ins Nichts.

Nach einiger Zeit griff er zur Feder und warf folgende Zeilen auf das Papier.

 

Du hast mich gerissen, du herrliche Maid,

Hinein in ein Meer stummer Leiden,

Gerissen in göttliche Traurigkeit,

Gerissen von Frieden und Freuden.

 

Das hat Schwung! Das sprudelt!“ — Er sprang auf und deklamierte laut und pathetisch zwei-, dreimal sein Gemächte. Dann warf er sich wieder auf den Stuhl, ließ den Arm vom Tisch baumeln und brütete weiter. Endlich sprang er auf und deklamierte:

 

Du hast mich dem Leben entfremdet, mein Kind!

Ich irre auf einsamen Pfaden.

Es spielet mit meiner Klage der Wind,

Als wär er zum Spott mir geladen.

 

O höre, Lisette, mein Klagen und Flehn,

Heb auf mich vor deinen Knien!

Lass nicht mich in Leid und Trauer vergehn:

Die besten Jahre entfliehen!

 

So könnte die Sache gehn. Lass noch einmal hören!“ Der Herr Pfarrer deklamierte sich in großes Feuer hinein. — Man sollte es nicht für möglich halten. Aber so ein ältlicher Junggesell — wenn es ihm um die besten Jahre bange wird — kennt eben nur Ernst und ist wahrhaftig einem „Dauerbrenner“ zu vergleichen gegenüber einem jugendlichen Windbeutel.

Nunmehr machte sich der verliebte Mann an die Reinschrift seiner Erklärung. Er erwischte einen Bogen Aktenpapier und begann. Schon standen vier Zeilen als höchstmögliche kalligraphische Leistung da. Da erhob sich der Dichter und durchmaß sein kleines Heim in kraftvollen Schritten, um sein Wert noch einmal laut dem Ohr zur Prüfung zu bieten. — „So, so, so! — So soll's abgehn!“

Wieder griff er zur Feder, erschrak aber fast vor dem Aktenformat. — „Halt! — Ist ja für die Lisette bestimmt, nicht für den Ephorus!“ —

Bald verdrängte ein zierliches Briefbögelchen das ehrwürdige Format. So streifen sich im Leben gar manchmal gegensätzliche Kategorien. Und wenn gar eine Vertauschung eintritt, kommt ein bunter Lebenslappen heraus. Man weiß z. B. vor Verzweiflung sich den Sack nicht anzuhängen, wenn im Lauf des Lebens ein Äfflein vor einem herum tänzelt und schwänzelt, wo man einen Mann erwartet hatte.

Der Pfarrer war bedroht, aber nicht von einem Äfflein, sondern von einem furchtbar ernsten Manne. Es pochte an der Stubentür.

Herein!“

Herr Jakob Querengässer trat ein. „Entschuldigen Sie, Herr Pastor! Guten Abend! Störe doch nicht?“

Ganz und gar nicht, Herr Querengässer! Sein Sie mir schön willkommen! Bitte, sich ein Plätzchen zu suchen!“

Jakob griff mit der linken Hand ans Kinn und setzte sich. Der Herr Pfarrer Iegte seine Herzensangelegenheit in ein Schubfach und suchte währenddessen seiner Verlegenheit, in die ihn der Kob gebracht hatte, Herr zu werden. Er war aber zu tief aufgeregt, um so leicht darüber hinweg zu kommen. So entstand ein ungemütliches Schweigen.

Der Kob musste was ganz Außerordentliches im Schild führen. Er fand kein Heft dafür und griff abermals mit der linken Hand ans Kinn, probierte auch, ob kein Harz auf dem Stuhl sei; denn es kam ihm just vor, als säße er noch auf dem Kieferstock.

So schrumpft zwischen wichtigen Lebensmomenten die Zeit zusammen. Was wird dem Herrn Pfarrer bevorstehen!

Dem fiel noch bald genug ein, dass er den reichen Herrn Jakob Querengässer doch gewissermaßen als Besuch anzusehen habe. Er holte zwei Gläser und eine Flasche Wein, präsentierte eine Zigarre, biss für sich selbst eine ab, schenkte ein und stieß mit seinem Besuch an auf die verwichen in Aussicht genommene Kindtaufe.

Dieser Schlitz in das Verlegenheitsleder half dem Jakob so auf die Strümpfe, dass er wahrhaftig von dem kleinen Lachanfall des Herrn Pfarrers ein wenig angesteckt wurde.

Herr Pastor, jens liegt noch fern. Es will sich durchaus nicht machen. Es ist schwer anzukommen.“

Das will mir auch so scheinen. Gleichwohl müssen wir unser Ziel fest im Auge behalten.“

Hab ich auch. Aber wenn ich denke, alleweil wird’s Ernst, da ist's gleich wieder anders. Denk ich, der Fisch hat angebissen, ist er wieder weg. Da ist der Modelleur besser im Geschick! Den hab ich vorgestern erwischt, wie er die Wirtin geküsst hat am hellen lichten Tag hinter einer Schlehenhecke. Aber ich hab mir nichts merken Iassen. Und geärgert hat's mich, dass unser einer sich nur auf die Nacht verlassen muss.“

Was Sie sagen, Herr Querengässer! So weit hat's der Bauchrachen gebracht?“

Sie meinen: der Herr Rauchenbach!“

Ganz recht, ganz recht! Der Dritte im Bund wird also der Erste werden. So werden wir ausgestochen.“

Jakob Querengässer griff wieder ans Kinn. Der Herr Pfarrer sah sich nach seiner Königin um. Aber da stand unter dem Klavier ein hölzernes Hühnchen auf einem Brettchen mit vier Rädern nicht größer wie ein halber Gulden, schön rot angestrichen, als wäre es eben in Sonneberg ausgebrütet worden. Und es wollte gerade den Schnabel auftun, um an zu gatzen zu fangen. Da schwoll dem Pfarrer der Kamm, dass er in seinem Zorn mit dem Bein nach dem Hühnlein strampfte wie nach einem Spottgebilde. Da war es sofort weg wie weggeblasen. Wenn sich des Geistlichen einmal Halluzinationen bemächtigen, dann steht er schon mit einem Fuß in des Teufels Küche! —

Halt! — — —

Wie bist du, meine Königin“ — dies Lied hatte der Herr Pfarrer ungefähr vor Jahresfrist von einem großen Sänger gehört „Wie bist du, meine Königin“ — schlug es wie eine Flamme in seinem Gemüt empor. —

Herr Querengässer, wir sind unglückliche Männer! — Gleichwohl dürfen wir den Mut nicht verlieren. Wir müssen einander aufhelfen mit Rat und Tat.“

Herr Pfarrer, da haben Sie mir aus der Seele gesprochen. Sehn Sie, deswegen bin ich zu Ihnen gekommen.“

Nun ja! So zaudern Sie nicht und offenbaren Sie mir, wo Sie der Schuh drückt!“

Ich trag zwar keine Schuhe, Herr Pfarrer, aber die Stiefel drücken auch mitunter, mitunter schlimmer als Schuhe. Kommt auf den Schuster an.“

Sehr wohl! Aber das kommt alles auf eins hinaus. — Sie meinten vorhin, wenn man glaubt, der Fisch habe angebissen etc. Wer ist denn Ihr Fisch? — Haben Sie denn auch den richtigen Köder gehabt? — Ich verstehe mich auch ein wenig auf das Angeln.

Ich hatte nur so gemeint. Mein Köder, sozusagen, war ein schöner Blumenstrauß. — Und sie hat angebissen.“ —

Was wollen Sie denn mehr? Herr Gott, haben Sie Glück, junger Mann!“

Sie spaßen sich, Herr Pastor! Sie wissen doch, wie's mit unserer Jugend beschaffen ist. Das ist ja eben unser Malheur!“

Sie müssen das nicht so genau nehmen, Herr Querengässer! — Wie war es eigentlich mit dem Strauß?“

Den hat mir der Bildermolle an sie besorgt. Und sie hat ihn in ihr Fenster gestellt und hat ihn wert gehalten. Hat sich auch einmal ein wenig von mir drücken lassen, aber freilich in der Finsternis.“

So weit sind Sie schon vorgeschritten in Ihrer Heiratsangelegenheit? — Ich beneide Sie. — Ich hange und bange in schwebender Pein, wie Goethe sagt. —

Ach Gott, wenn ich sie erst einmal ein wenig drücken dürfte! — Sie glücklicher Mann!“

Wenn's finster ist, Herr Pfarrer, hält das gar nicht so schwer. Man muss nur Courage haben. Mir scheint's doch, als fehle es Ihnen daran zu sehr, Herr Pfarrer!“

Mein lieber Herr Querengässer, Sie können ja recht haben. Aber für meinen Stand ist die Dunkelheit doch zu despektierlich. Unser einer muss im Licht wandeln, wie's im Evangelio heißt. — Gleichwohl würde ich nicht abgeneigt sein, wenn sich's einmal passen sollte, einen Schritt zu wagen auch in der Dunkelheit. — Apropos! Sie haben mir aber immer noch nicht Ihren Fisch genannt.“

Herr Pfarrer, einstweilen Nebensahe. Sehn Sie, die Hauptsache ist, dass ich ihr einmal mein Herz ausschütt. So kann's nimmer gut tun. Ich bin so aus Rand und Band, dass ich den Felsen da hinter der Kirche aufhucken möcht, um ihn vom langen Berg hinunter ins Freudental zu kollern. Ich seh allweil recht gut ein, warum man von einem in unserer Not sagt, er habe den Koller.“

Der Herr Pfarrer nickte bedeutungsvoll. Genau wie mit dem Kob war es auch mit ihm bestellt. Mit dem Herzausschütten hatte er sich selbst ja schon Tage lang abgequält, hatte Verse geschmiedet und wie ein Prophet „Gesichte” gehabt. Nun kam er so allmählich wieder in den Traumwandel und seine Königin kutschierte auf dem Räderbrett wieder vor ihm her.

Herr Jakob Querengässer war auf einmal dem stummen Koller verfallen und glotzte in ein unendlich tiefes Loch.

Halt!“, donnerte der Pfarrer und stand plötzlich mitten in der Studierstube vor dem bekannten Abgrund.

Da fuhr Kob herum, war vor Schrecken blass geworden und hatte Glasaugen bekommen.

Herr Pfarrer, ich bin kein Schutzbarthel, aber man wird halt doch am End ungeduldig. Ich wollt ihr mein Herz ausschütten. Wollt einen Brief an sie schreiben. Aber Sie wissen ja die Briefgeschichte. Und ich hab's in der Schreiberei noch immer nicht weiter gebracht. Drum hätt' ich eine Bitte, eine große Bitte, Herr Pfarrer!“ —

Aha! Versteh schon! Sie meinen etwa so einen. Dabei riss er sein Schubfach mit den Herzensangelegenheiten auf, holte ein Blättlein Papier heraus und deklamierte:

 

Ferne im Orient

Strebt eine Ceder

Hochauf zum Firmament“ —

 

Halt! — Das ist Leder!“

Meine ein anderes Brieflein. Gleich! — Hier:

 

Du hast mich gerissen, du herrliche Maid,

Hinein in ein Meer stummer Leiden,

Gerissen in göttliche Traurigkeit,

Gerissen von Frieden und Freuden.

 

Was meinen Sie, Herr Querengässer? — So könnte wohl so ein Brieflein anfangen, nicht wahr? Was?“ —

Gott bewahre, Herr Pastor! Ich meinte, dass ich ihr vorstellen müsst, wie sehr ich sie lieb habe, und dass sie meiner Mutter auch recht wär, und dass es so nicht mehr gut tät, und was nun werden sollt? — Ich kann doch nicht von dem Fräulein, das ich heiraten möcht', sagen, sie habe mich dreimal gerissen. Das wär doch ein kurioses Kompliment, wenn man seinen Schatz zu den reizenden Tieren rechnen wollt. — Ich will's vorsagen, wie ich mein’, und Sie sind so gut und setzen mir's schriftmäßig auf. — Ich meine so: Schon lange gehe ich damit um, dass ich Sie sagen wollt, wie sehr ich Ihnen lieb habe. Aber es wollte sich immer nicht kitteln, bis auf das eine Mal in der Dunkelheit, da ich Ihnen ein wenig gedrückt habe, das Sie auch gut gedeucht hat. Ach liebe, allerliebste Lisette!“

Halt! — Halt!“, donnerte der Herr Pfarrer. „Das ist wohl ein kleiner Irrtum, mein lieber Herr Querengässer!“

Kein Irrtum, Herr Pastor! Werd doch spüren, was ein Frauenzimmer ist! Und dass es die Lisette war, werd ich doch vom Strauß her wissen. Das kann mir Molle beschwören!“

Da ragte es aus den Löchern unter und über dem Pfarrer hervor happig und schnappig mit riesigen knöchernen hautlosen Krokodilrachen und drang auf den Pfarrer ein, dass es ihm übel wurde und er sich am Tisch anhalten musste.

Und Jakob sprang hinzu und fasste den Überfallenen an den Armen und hielt ihn fest, dass es wohl blaue Flecken gegeben haben mochte.

Da kam aber die Wut dermaßen über den Unglücklichen, dass er den Kob zwei Schritte weit von sich schüttelte.

Eine furchtbare Stille trat ein.

Jakob war auf seinen Stuhl zurückgesunken. Und der Pfarrer stand mitten in der Stube wie ein Gladiator in der Arena. Ein wütender Stier hielt den Kopf zu Boden, sein Opfer in die Luft zu schleudern. Aber siehe, da verwandelte sich der im Handumdrehen in ein Ferkelchen, das sich grunzend durch den Türspalt zwängte und verschwand.

Gerettet!“ — — Der Herr Pfarrer sah sich nach dem Herrn Querengässer um, und als er merkte, dass sich sein Besuch nach der Tür hindrückte, dem Ferkelchen nach, rief er: „Halt! Herr Querengässer, tun Sie mir den Gefallen, mir zu gestehen, dass Sie sich geirrt haben!“

Das kann Ihnen doch Wurscht sein, Herr Pastor, ob ich mich geirrt habe, oder nicht. Das ist doch meine Sache. — Aber ich sehe schon, dass nun aus dem Brief nichts wird. Will mich nur empfehlen. Adjös!“ —

Haben recht, Herr Querengässer! Besuchen Sie mich ein andermal! Wir werden gleichwohl die Sache noch einmal gründlich behandeln müssen. Empfehle mich!“

Aber vor der Tür draußen blieb Jakob einen Augenblick stehen und griff ans Kinn und sagte kopfschüttelnd: „Hat er den Koller oder ich?“ —

Der Herr Pfarrer aber riss dann die Stubentür auf und schritt bis ans Ende der Hausflur und wieder zurück bis zum Stubenfenster, und immer so hin und her eine Glockenstunde lang.

Die ganze Welt schien sich für ihn in ein Rätsel verkehrt zu haben.

Dieser Jakob Querengässer, der hirnblöde Bauer, obgesiegt über unsereinen, über einen Mann von klassischer Bildung! — Wer gibt Aufschluss? — Aber es ist eine alte Erfahrung: Im Klassizismus verkümmert das Taten zeugende Leben! Wir sind über die Realitäten hinaus und hantieren nur noch mit Phantomen.

Der Kob hat die Lisette an sich gedrückt! — — Was wollen dagegen meine dichterischen Herzensergüsse in der Studierstube sagen? — —

Schon den ersten Menschen hat der Gedanke belebt: das ist doch Fleisch von meinem Fleisch und Bein von meinem Bein. — Und der simple Kob weiß, dass das Fleisch gedrückt sein will. —

Wir sind dem Leben entfremdet. Wir haben das Zölibat verdient! — — —

Halt!

Da steigt aus dem Abgrund Fleisch von meinem Fleisch! — Lisette! — Meine Königin! — Nur einmal dich ans Herze drücken! — Dann sterben! — Da schwebt sie hin.“

Der entbrannte Mann schreitet auf sie zu. — Sie fährt vor ihm her mit rückgewandtem Antlitz, lächelnd, auf vierräderigem Postament! — — Glückliche Augenblicke! — — —

Halt!“

Da steht unter dem Klavier das gackernde Hühnchen. —

Von hinnen, — Spottgebilde! —

Dich hat der Kob gedrückt! — — —

Wie bist du, meine Königin, mir gar so untreu worden!“