Orgelförderverein Sachsenbrunn e. V.

 

Zur Geschichte der Orgel

in der Kirche „St. Marien“ zu Stelzen

 

von Dieter Hartwig

 

 

                                                                         2011


 

INHALTSANGABE:

 

0. Vorwort  
1. Die erste Orgel aus dem Jahr 1739   
2. Der Orgelneubau 1865-1868
3. Die heutige Orgel
4. Schlusswort und Danksagung
5. Anhang
    5.1 Dispositionen der Orgeln in der Kirche zu Stelzen  
    5.2 Seelsorger der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Stelzen
6. Quellenverzeichnis

Abb. 1: Südostansicht der Kirche zu Stelzen


0. Vorwort

Der eine oder andere Leser wird sich fragen, warum nach der Schrift „Zur Geschichte der Orgel in der Kirche zu Sachsendorf“ aus dem Jahr 2009 der Autor schon wieder eine Orgelgeschichte niederschreibt. Die Tatsache, dass sich die Kirchgemeinde nach der Restaurierung der Orgel in Sachsendorf jetzt um eine Reparatur der Orgel in Stelzen bemüht, würde wohl als Antwort auf obige Frage zu kurz greifen. Viel näher an der Wahrheit ist wohl ein Ausspruch Richhard von Weizsäckers:
     „Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“


Im Laufe seiner Nachforschungen hat der Autor dieser Schrift begriffen:
     (I) Bei allen Erfolgen, Errungenschaften und Annehmlichkeiten unserer modernen Zeit sollte man nie den Blick auf das von unseren Vorfahren Geleistete verschließen. Es muss uns immer wieder Hochachtung abringen, unter welchen schweren Bedingungen sie für ihren christlichen Glauben eingetreten sind und vielfältige Opfer brachten.
     (II) Die Misslichkeiten und Probleme sind heute in vielen Dingen die Gleichen, wie sie unsere Vorfahren bewältigen mussten.
     (III) Die interessantesten Geschichten sieht man nicht im Fernsehen, liest man nicht im neuesten Roman, sondern die interessantesten Geschichten schreibt das Leben selbst – jetzt und auch früher. Man muss sie nur aufspüren und wieder ins Gedächtnis zurückholen.

In diesem Sinne wünscht der Verfasser dieser Schrift allen Lesern:


   - Ein klein wenig von der Spannung, die er bei seinen Nachforschungen erlebte.
   - Ein klein wenig von der Neugier, die entsteht, wenn eine gelöste Frage die nächste aufwirft.
   - Ein klein wenig von dem Stolz, den wir auf unsere Vorfahren noch heute haben dürfen, um aus ihren Mühen und      Entbehrungen für die Gegenwart zu lernen.


1. Die erste Orgel aus dem Jahr 1739

Aus den Akten der Kirchgemeinde Stelzen, die im Archiv des Pfarrhauses Sachsendorf lagern, geht als erst nachweisliche Orgel ein Instrument aus dem Jahre 1739 hervor. Und zwar schreibt Johann Werner Krauß, Pfarrer und Superindentent in Eisfeld 1753:

„A. 1739 ist die neue Orgel von Hrn. Christian Dotzauer zu Hildburghausen verfertigt , und über den Altar gesetzt worden. Bey welcher Gelegenheit die Historie von Maria Himmelfarth, die im Chor ringsherum angemahlet stund, mit Kalck- Farbe bestrichen, auch die oben im Gewölbe befindlichen Wäpplein mit Leimen (Lehm d.A.) und Kalck bedecket worden sind.“ (1)

In diesem authentischen, weil recht zeitnahen Bericht stecken nach Auffassung des Autors drei wichtige Informationen, die auch wiederum Fragen aufwerfen. Bevor darauf eingegangen werden soll, möchte zu dem angesprochenen Orgelwerk selbst Stellung bezogen werden.
Der Erbauer dieser ersten Orgel, Johann Christian Dotzauer (1696–1779) war schon zu seinen Lebzeiten ein anerkannter, begehrter Orgelbauer Südthüringens. Auch die Orgel in der St. Marien-Kirche zu Stelzen muss sehr gelungen gewesen sein, wie sollte man sonst interpretieren, dass auch die Kirchgemeinde Sachsendorf bei ebendiesem Orgelbauer Dotzauer 1747 eine neue Orgel bestellte, um damit die Orgel des Eisfelder Meisters Krapp aus dem Jahre 1673 ersetzen zu lassen.
Über diese Dotzauer-Orgel kann man im „Inventarium über das Vermögen, die Schulden und Verbindlichkeiten der Kirche zu Stelzen“ (2) aus dem Jahre 1827 (angefertigt von Pfarrer Georg Christoph Büchner) nachlesen. Unter Punkt 4 schreibt Pfarrer Büchner:

„Außerdem befinden sich in der Kirche noch eine Orgel mit 2 Manualen und 20 Registern, wie auch 2 alte Trompeten, ferner ein Christusbild und noch des Pfarrer Rudolph Seegers Portrait.“ (2)

Letztgenanntes Bild hängt heute noch in der Stelzener Kirche zum Andenken an das segensreiche Wirken, des aus Geldern in den Niederlanden stammenden Pfarrers, der zum evangelischen Glauben  übergetreten und von 1677 bis zu seinem Tode 1706 hier in Stelzen wirkte. Die Verehrung, die man ihm entgegenbrachte, zeigt sich auch darin, dass sein Leichnam vor dem Altar in der Kirche bestattet wurde.
Aber zurück zur Dotzauer–Orgel. Außer den erwähnten 2 Manualen und 20 Registern konnte der Autor keine weiteren Informationen in den gesichteten Unterlagen finden, so dass die Disposition, also die in der Orgel verwendeten Stimmen nicht mehr nachvollziehbar sind.
Kommen wir aber noch einmal auf die drei Informationen aus dem Zitat am Anfang dieses Kapitels zurück:


(I) Die Wortgruppe „[…], und über den Altar gesetzt worden“ wird durch eine Zeichnung mit Längsschnitt der Kirche untermauert, die zeigt, dass die Orgel tatsächlich im Chor auf einem Podest über dem Altar gestanden hat.
(II) Die zweite Information aus oben erwähntem Zitat bezieht sich auf die baulichen Gegebenheiten der Kirche. Krauß schreibt: „[…] oben im Gewölbe befindliche Wäpplein[…]“, das belegt, dass die Decke des hochgotischen, mit Spitzbogenfenstern erhellten Chorraums auch ein gotisches Gewölbe darstellte. Dieses Gewölbe wurde wohl 1744 bei einer Restauration durch eine waagerechte Dielendecke ersetzt. Diese Ansicht des Autors wird auch von Prof. Dr. P. Lehfeldt bestätigt, der schreibt: „ Dagegen aus dem 15. Jahrhundert die rechteckige Ausguss-Blende (Piscina) in ihrer Westseite und die Spur des [zerstörten] Gewölbes im Langhaus, welches an dessen West-Ecken im Putz erkennbar ist.“ (3)
(III) Die dritte Information des angeführten Zitats am Anfang dieses Kapitels hat zugegebenermaßen die große Neugier des Autors dieser Schrift geweckt:
„ Bey welcher Gelegenheit die Historie von Maria Himmelfarth, die im Chor ringsherum angemahlet stund, mit Kalck- Farbe bestrichen […]“
Dass die Stelzener Kirche zuerst als Wallfahrtskapelle errichtet, später in mehreren Abschnitten zur Kirche ausgebaut wurde, ist unumstritten. An einem Südpfeiler des Chores, an dem sich auch eine interessante Sonnenuhr befindet, ist bis heute die Inschrift „ Anno 1467 am Tage Walpurgis ist angefangen dieser Bau zu Ehren der Maria“ gut lesbar eingemeißelt worden. Daher auch bis heute der Name „St. Marien-Kirche“.

 

 

Was nun vielleicht auch den geneigten Leser interessieren könnte, sind die Fragen:


- Ist dieses Wandbild unter den Farbschichten noch vorhanden?
- Welche Größe, welchen künstlerischen Wert hat es?
- Sollte man es aus kunsthistorischer Sicht wieder freilegen?
- Oder sollte es  - wie die letzten ca. 270 Jahre – für immer mit „Kalck-Farbe bestrichen“ bleiben?

 


Fragen, die auf unsere und Ihre Antwort warten!

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 2: Chorraum, in dem die Dotzauer-Orgel stand


2. Der Orgelneubau 1865–1868

Nachdem die in Kapitel 1 erwähnte Dotzauer–Orgel weit über 100 Jahre ihren Dienst im Gottesdienst getan hatte, schreibt der Orgelbauer Michael Schmidt aus Schmiedefeld auf Anfrage der Kirchgemeinde Stelzen hin am 18. Februar  1861 zum Zustand des Orgelwerkes folgendes:

„Die Orgel in der Kirche zu Stelzen hat einen sehr geringen Werth von höchstens 200 Gulden; sie ist, wie ich vor etwa 20 Jahren beim Untersuchen derselben fand, nach der alten mangelhaften Bauart eingerichtet und durch ungeschickte Hände und den Zahn der Zeit ganz verdorben, so dass sie damals schon kaum noch gebraucht werden konnte. Den Antrag, die Orgel zu reparieren, schlug ich zu jener Zeit aus, weil ich der Gemeinde nur unnütze Kosten verursacht haben würde, da durch eine  Reparatur die Mängel des Baues und der Orgel und Wurmfraß nicht zu beseitigen sind.“ (4)

In den weiteren Ausführungen dieses Briefes schlägt er also den Neubau einer Orgel zum Preis von 1.700 bis 1.900 Gulden vor. Von diesem Jahre 1861 an drehen sich nun die bürokratischen und finanziellen Mühlen. Der damalige Pfarrer Göpfert führt einen umfangreichen Briefwechsel mit dem Herzoglichen Staatsministerium, Abteilung für Kirchen- und Schulsachen in Meiningen zwecks Genehmigung und finanzieller Unterstützung eines Orgelneubaus. Auch Fördertöpfe werden dazu „angebohrt“. Die Gustav-Adolf-Stiftung sichert über das Staatsministerium Unterstützung für das kommende Jahr 1862 zu. Neben dem bereits erwähnten Orgelbauer Michael Schmidt aus Schmiedefeld reicht ein weiterer Orgelbauer, Hofmann & Söhne aus Neustadt bei Coburg eine Disposition und einen Kostenanschlag für eine neue Orgel ein. Letztgenannte Orgelbauer geben in einem Brief vom 5. November 1861 auch das finanzielle Zugeständnis:

„Mit den Zahlungsterminen gehen wir darauf ein, dass 800 oder 900 Gulden, wenn das Werk vollendet, aufgestellt und als solid befunden worden ist, eingehändigt werden, das Übrige aber auf 3-4–oder 5 Jahre, so nach Wunsch stehen bleiben kann.“ (4)

Von beiden Orgelbauern sind ausführliche Dispositionen und Kostenanschläge in den Kirchenakten vorhanden. Auf diese ausführlichen Beschreibungen einzugehen, würde hier zu weit führen. Angemerkt seien aber zwei Fakten:

1.) Die Kosten für das neue Orgelwerk würden sich auf 1.200 Gulden bei Hofmann & Söhne, auf 1.192 Gulden bei Michael Schmidt belaufen.
2.) Beide Orgelbauer versprechen beste handwerkliche Leistung und übernehmen für ihr Werk eine Garantie von 10 bzw. 3 Jahren.

An dieser Stelle klafft in den Aufzeichnungen eine große zeitliche Lücke. Es kann nur vermutet werden, dass diese Baukosten den Rahmen der kleinen Kirchgemeinde Stelzen sprengten und entsprechende finanzielle Unterstützung von seitens des Staatsministeriums nicht gewährt wurde. Das nächste Dokument ist ein Brief des Pfarrers Göpfert an das Herzoglich Sächsische Staatsministerium datiert vom 12. Mai 1865, in dem er ersucht:

„Wiederaufnahme einer schon am 9.Juli 1861 geäußerten, unterthänigen Bitte,  die Kirchgemeinde Stelzen behufs des nöthigen Neubaus einer Orgel zur Unterstützung von seitens des Landesvereins der Gustav-Adolf-Stiftung in diesem Jahr gnädigst mitempfehlen zu wollen.“ (4)

Der erbetene Zuschuss beläuft sich auf etwa 900 Gulden, der vom  Staatsministerium gegenüber der Gustav-Adolf–Stiftung am 30. Mai 1865 auch als dringlich und notwendig hervorgehoben wird. Mit Bewilligung dieser Fördermittel  kann das Projekt Orgelneubau nun beginnen. Dazu erstellt der Orgelbauer Christoph Hofmann & Söhne am 23. September 1865 eine neue Disposition und einen Kostenanschlag. Hierin heißt es:

„§1 Gedachtes Orgelwerk soll bestehen aus zwei Manualen von C’ bis f’’’, oder 54 Töne und einem Pedal von C’ bis d’ oder 27 Tönen nebst Manual- und Pedalkoppel, welche vermittelst Registerzüge dirigiert werden. […]


§4 Von den Bälgen
Zu diesem Orgelwerk sind zwei Bälge, sage zwei Stück, von 5 Fuß Länge und 5 Fuß Breite erforderlich. Die Blätter werden aus 1 Zoll starken Bohlen von Tannenholz zusammengeleimt und mit 3 Zoll im Quadrat starken Holzüberlagen vermittelst starker hölzerner Schrauben versehen. Blätter und Falten werden mit starkem Doppelpapier überzogen, und mit Roßfluchsen zusammengefasst, und mit weißem ausgesuchten Schafsleder dreifach beledert. […] Bemerkt wird noch, dass außer den zwei Bälgen noch ein kleiner Balg (Ausgleichsbalg), welcher auf dem Windkanal in der Nähe des Windkasten gelegt, gefertigt wird. Sein Zweck ist den Windstößen, welche durch Unvorsichtigkeit des Calcanten verursacht werden, für den Ton des Pfeifenwerkes unhörlich zu machen, die Präcision der Ansprache zu befördern, besonders wenn das volle Werk gespielt wird. […]


§ 8 Das Äußere der Orgel
a) Orgelgehäuse von Tannenholz mit Thüren versehen, alles der vorgelegten Zeichnung gemäß.
b) Bildhauerarbeiten von Kiefernholz, Kronblumen und Gruppen von Steinpapp. […]


Außerdem ist folgendes zu bemerken, welches die Gemeinde zu übernehmen hat:
a) Das angefertigte Orgelwerk von Neustadt abzuholen.
b) Den Orgelbaumeistern solange die Arbeit an Ort und Stelle dauert, einen Handlanger beizugeben.
c) Das Balggestell vom Zimmermann nach Angabe des Orgelbauers machen zu lassen, das nöthige Holz zu stellen, sowie 1 Zoll starke Bretter, welche bei Aufstellung der Orgel nöthig werden zu beschaffen.
d) Anstrich und Vergoldung kann ich auf keinen Fall übernehmen, in dem mir die Kenntnisse dazu mangeln.
e) Dagegen verspreche ich, das gedachte Werk in allen Theilen auf das Beste und Zweckmäßigste auszuführen, sowie die besten Materialien, wie es der Orgelbaukunst erheischt, dazu zu verwenden, und leiste 10 Jahre , sage zehn Jahre, Garantie, ausgenommen was durch eindringende Nässe, oder sonstige Beschädigung verursacht wird. Für die Stimmung ein Jahr, weil selbige dem Wechsel der Witterung unterworfen ist. […]


Bemerkung:
Sollten anstatt den gewöhnlichen Schleifladen, Springladen im Hauptwerk, Oberwerk und Pedal gefertigt werden, wo in ganz neuerer Zeit sehr werthvolle Verbeßerungen damit vorgenommen wurden, und unstreitig die besten Windladen sind, würde sich ein Mehrbetrag von 125 Gulden an der oben angegebenen Summe herausstellen. Bei diesen Windladen ist dem Durchstechen der Töne für immer abgeholfen, ist die frische und sich im vollen Werk gleichbleibende Ansprache der Pfeifen ein sehr werthvoller Vorzug vor den Schleifladen.“ (4)

Abb. 3: Nachtrag zum Kostenvoranschlag vom 23. September 1865 der Orgelbaufirma Christoph Hofmann & Söhne, Neustadt bei Coburg


Der vor den letzten Bemerkungen gemachte Kostenansatz beläuft sich auf 1.225 Gulden rheinisch und wird in dem am 7. November 1865 abgeschlossenen Vertrag mit folgenden Worten bestätigt:

„§4 Für solches alles oder für die vorschriftsmäßige Herstellung des vorerwähnten Orgelwerkes zahlt nun die Pfarrgemeinde zu Stelzen dem Orgelbaumeister Hofmann & Söhne die Summe von 1.295 Gulden rheinisch. Ein Tausendzweihundertfünfundneunzig Gulden rheinisch, nämlich 1225 G.rh. baar und 70 G.rh. durch Kost und Logi’s, welche beides während der Zeit, wo die Orgel aufgestellt wird, so gut als geschehen kann, durch die wohlhabenden Glieder der Pfarrgemeinde an den Orgelbaumeister und dessen Gehülfen verabreicht wird. Die Baarzahlung selbst geschieht also dergestalt, daß  Ein Tausend Gulden rheinisch bezahlt werden, sobald die Orgel vollendet, aufgestellt und von dem bestellten Sachverständigen als solid und überhaupt den Baubestimmungen entsprechend befunden worden ist, zweihundertfünfundzwanzig Gulden rheinisch aber, welche als  Cautions- Quantum noch ein Jahr stehen bleiben und mit Vier von Hundert verzinst werden, erst nach Jahresfrist.“ (4)

Dieser Fakt belegt, dass in die Hofmann-Orgel Schleifladen anstelle der neueren Springladen eingebaut werden sollten. Da inzwischen das Staatsministerium seine Zusage erteilt hatte, konnte der Orgelneubau nun endlich beginnen.

„Laut Rescript des H. Staatsministeriums Abteilung für Kirchen- und Schulsachen in Meiningen ist der mit Bericht vom 19.d.M. vorgelegte Plan zur Erbauung einer neuen Orgel in Stelzen, für welche die Disposition anbei zurückfolgt, mit Einschluß des bezüglich der Aufbringung der Kosten gefaßten Beschlüße  des Kirchenvorstandes genehmigt worden, worauf das Weitere nun zu besorgen ist.

Eisfeld, den 31. October 1865
Herzog. S. Kirchen-& Schulamt
M. Sauerteig          A. F. Kronacher“ (4)


Bezüglich der Verpflichtungen der Pfarrgemeinde Stelzen bei diesem Neubau sei noch einmal aus dem Vertrag zum Orgelbau zitiert:

„[…] §5 Außerdem verpflichtet sich die Pfarrgemeinde Stelzen noch zu folgendem,
a)   das neugefertigte Orgelwerk in Neustadt abzuholen,
b)   bei Aufstellung desselben einen Handlanger auf ihre Kosten beizugeben
c)   das Balggestelle, wozu sie auch das nöthige Holz zu liefern hat, nach Angabe des Orgelbauers herstellen zu lassen und etwas Bretter von einem Zoll Stärke, welche bei Aufstellung der Orgel noththun, bereitzustellen und endlich
d)   für den Anstrich der Orgel später selbst zu sorgen. […]
§6 Beide Theile bekennen sich schließlich nochmals zu vorstehenden, vertragsmäßig festgesetzten Bestimmungen und geloben sich gegenseitig treue Erfüllung derselben.
                                                                                                          So geschehen Stelzen b. Eisfeld & Neustadt   b. Coburg
                                                                                                                                                              den 7. November 1865“ (4)

So holprig wie sich der Start des Orgelneubaus gestaltete, so problematisch wurde auch seine Umsetzung. Da ist zum ersten das undichte Kirchendach zu benennen.


Da der Orgelbauer mehrmals darauf hingewiesen hatte, dass sich seine Garantie nicht auf „eindringende Nässe“ beziehen kann, musste schleunigst Abhilfe geschaffen werden. Da im Jahr 1866 auch die Giebelwand der Stelzener Schule verschiefert werden musste, lag es nahe, auch das Kirchendach zu verschiefern. Ein auch in der heutigen Zeit bekanntes Problem – fehlende Finanzierung – führte zu reichem Schriftverkehr zwischen Pfarrer, den Schultheißen der beteiligten Gemeinden und dem Staatsministerium. Dabei gab es zum Kostensparen gar abenteuerliche Vorschläge aus den Gemeinden Mausendorf und Neuendorf, wie da wären:


- einen Deckel aus Zinkblech über der Orgel
- auf dem Kirchenboden ein zusätzliches Schutzdach aus Brettern u. ä.

 

Abb. 4: Originalhandschrift des Schultheiß Morgenroth, Neundorf 1868

Schließlich setzten sich aber Pfarrer Göpfert und Schultheiß Jacob Lutz aus Stelzen durch und es wurde zumindest ein Teil des Kirchendaches verschiefert. Hierzu erachtet es der Autor für ganz wichtig, dass in allen Verhandlungen von dem „hinteren Theil der Kirche“ gesprochen wird, oder wie es Pfarrer Göpfert aufschreibt:

„[…] aber die Herstellung des Kirchendaches oberhalb der Altarhalle mit Einschluß des Thurmes vermittels Schieferbeschlag […] für nöthig erachtet.“ (4)

Diese Zeilen bestätigen eindeutig, dass auch die neue Orgel im Chorraum hinter dem Altar aufgestellt werden sollte, an gleicher Stelle wie die Dotzauer-Orgel im Jahr 1739.


Über die Aufteilung der Baukosten für die neue Orgel auf die eingepfarrten Gemeinden und die Zahlungstermine schreibt Pfarrer Göpfert am 23. Juli 1866 an die Schultheiße Stößel in Mausendorf und Morgenroth in Neuendorf:

„Auf Ihre Zuschrift vom 20. Juli 1866 teile ich Ihnen andurch mit:


Nach dem unter den 7. Nov. 1865 mit dem Orgelbauer Christoph Hofmann & Söhne zu Neustadt bei Coburg abgeschlossenem Vertrag hat die Kirchgemeinde Stelzen für die neue Orgel außer Kost und Logis, welches zu 70 Gulden angeschlagen ist, noch 1225 Gulden rheinisch baar aufzubringen, wovon 1000 Gulden nachdem die Orgel aufgestellt und für tüchtig erkannt worden ist, 225 Gulden aber ein Jahr später mit 4 Prozent Zinsen bezahlt werden müßen. Da nun zur Deckung 125 Gulden Legat und 369 Gulden 8 Kreuzer als Gabe der Gustav-Adolf-Stiftung unsres Landes vorhanden sind, so hat die Pfarrgemeinde […] noch 725 Gulden baar aufzubringen, wäre


            Stelzen                 362 ½  Gulden als die Hälfte


            Mausendorf        188 ½  Gulden als 13/25 von der 2. Hälfte


            Neuendorf           174      Gulden als 12/25 von der 2. Hälfte

 

beizutragen hat.“ (4)

Abb. 5: Originalhandschrift des Schultheiß Stößel, Mausendorf 1868

Auch der Orgelbau in der Werkstatt Hofmann hat in diesem Sommer 1866 wohl schon begonnen, aber es mangelt dem Orgelbauer am lieben Geld. So wendet er sich in einem Brief am 27. August 1866 an Pfarrer Göpfert, in dem er berichtet, dass er die Orgel  in Steinheid vollendet hat. Der Orgelrevisor hat das Werk als sehr gelungen bezeichnet, aber die Kirchgemeinde Steinheid ist in Schwierigkeiten, den Kaufpreis vertragsgemäß zu zahlen.


So bittet der Orgelbauer um einen Vorschuss von 180 bis 200 Gulden auf das zu errichtende Orgelwerk in Stelzen. Dies wird ihm gewährt und so überweist Schultheiß Jacob Lutz am 10. September 1866 200 Gulden an die Gebrüder Hofmann.  Inwieweit die Kirchgemeinde Steinheid ihre Schulden bei dem Neustädter Orgelbauer begleicht, geht natürlich nicht aus den Akten der Kirchgemeinde Stelzen hervor. Aber an diesem Briefwechsel aus dem Sommer 1866 schließen sich einige  Schreiben aus dem Sommer 1867 mit erfreulichem Inhalt an.

 

So schreibt der Orgelbaumeister am 19. Juli 1867 an Pfarrer Göpfert:

„Hochehrwürdiger Herr Pfarrer!


Heute werden wir die neue Orgel circa 60-75 Ctr. auf dem Bahnhof zum Transport übergeben. Dieselbe wird jedenfalls am morgenden  Tag (Sonnabend) in Eisfeld eintreffen, am Montag werden wir hier, wenn schönes Wetter ist, abreisen, und Vormittag auf dem Bahnhof sein, wo hingegen die Wagen 2 oder 3 Stück (mit dreien ist die Verpackung sicherer, auch die Last nicht zu groß) mit Tücher und Stroh versehen, in Bereitschaft stehen. Um in dem Abholen der Orgel sicher zu sein, sind wir der Meinung, wenn Sie zuvor einen Bothen zum Inspektor des Bahnhofs schickten, welcher sich erkundigen soll, ob wirklich die Orgel eingetroffen ist, denn auf der Bahn kommen doch hie und da Verspätungen vor. Die Transportkosten haben wir nicht erlegt, es würde sich demnach die Löbl. Gemeinde mit etlichen 12 – 15 Gulden vorzusehen haben.
                                                                                           Mit vorzüglicher Hochachtung unter herzlichem Gruß                                                                                                                                        ergebenst Hofmann & Söhne“ (4)

Wie niederschmetternd müssen sich nach diesen erfreulichen Aussichten die Zeilen nur fünf Tage später im Stelzener Pfarrhaus ausgewirkt haben!

„Hochwürdiger Herr Pfarrer!


Der furchtbare Katarrh welchen wir uns über das Orgelschaffen nach dem Bahnhof zugezogen haben, hat noch immer keine Änderung gezeigt, und sitzt so fest wie Eisen,  wir können schon seit Sonnabend das Bett nicht verlaßen. Wir haben sofort den Doktor gerufen um schneller davon zu sein und daß sich keine andere Krankheit noch dazu geselle, aber es bleibt immer beim Alten. Heute fühle ich mich wenigstens in der großen Mattigkeit am ganzen Körper ein klein wenig beßer. So Gott will, wird es ja bis nächste Woche beßer sein. Lieber Herr Pfarrer, es wird ja die Orgel ordentlich verwahrt bleiben? Bitten wollen wir Sie noch gefälligst, die neue Orgel zu versichern, man weiß ja doch nicht, was vorkommen kann. Wenn unser Gehülfe fertig ist, möchte er nach Hause kommen.


                                                                                              Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Hofmann“ (4)

Und mit diesem Brief beginnt wirklich ein Drama, das sich keine Schriftsteller ausdenken kann, sondern das wirklich nur das Leben schreibt!

Am 3. September 1867 schreiben die Gebrüder Hofmann an Pfarrer Göpfert:

„Wir hätten schon längst gerne an Sie einmal geschrieben, aber unsere Krankheit ließ es nicht zu. Seit 6 Wochen liegen wir beide schwerkrank am Nervenfieber darnieder. Wir sind nun freilich so weit hergestellt, daß wir langsam mit einiger Hülfe in der Stube promenieren können, aber um die in unserem Geschäft erforderlichen Arbeiten wieder aufnehmen zu können, sind wir wohl erst in 6–7 Wochen hinreichend gekräftigt. Eher können wir auch nicht daran denken, die Orgel in Stelzen aufzustellen. […]“ (4)

Aber noch viel niederschmetternder als das Fehlen eines Musikinstruments im Gottesdienst muss wohl die Nachricht aus Neustadt vom 19. Oktober 1867 gewirkt haben.

„Hochehrwürdiger Herr! Hochgeehrtester Herr Pfarrer!


Das Traurigste und so lange ängstlich Befürchtete ist eingetreten– meine beiden Söhne sind todt. Bei Beiden hatte sich die Krankheit ziemlich gehoben, da erkrankten sie plötzlich wieder schwer und starben. Der ältere starb am 13. Oktober und der jüngere am 14.
O, wir Armen! Zwei auf einmal hat uns der Tod geraubt, die Stützen zweier Familien. […]
                                                                                                                          Ergebenst Dorothea Hofmann, Witwe“ (4)

Zu bemerken sei zu diesem Brief:


Die Unterzeichnende, Frau Dorothea Hofmann, war die Ehefrau des Johann Christoph Hofmann (1799-1866). Der am 1. Juli 1866 verstorbene Vater Hofmann war somit Namensgeber der Firma „Hofmann & Söhne“, hat an der Vorbereitung der Stelzener Orgel mitgewirkt, aber an der eigentlichen Fertigung nicht mehr mitarbeiten können.


Dies übernahmen seine Söhne:                               Ernst Ferdinand Hofmann (geb. 23.11.1830) und
                                                                                       Gottlieb Traugott Hofmann (geb. 1.7.1832),

 

die damit als Erbauer der Stelzener Orgel gelten dürfen.

Abb. 6: Grabstein der Gebrüder Hofmann in Neustadt; Vorder- und Rückseite

In ihrem tiefen Schmerz über den Tod ihres Ehemannes im Vorjahr und den so tragischen Verlust beider Söhne im Alter von 35 bzw. 37 Jahren muss die trauernde Mutter die Sterbedaten unkorrekt wiedergegeben haben.


Laut Sterbeeintrag im Neustädter Kirchenbuch verstarb


            Ernst Ferdinand Hofmann                     Montag, 14. Oktober 1867 früh, 1/2 8 Uhr


            Gottlieb Traugott Hofmann                   15. Oktober 1867


Als Todesursache für den plötzlichen Tod der beiden Brüder wird „Nervenfieber“ genannt. Nach dem heutigen medizinischen Wissensstand würde man wohl von Typhus sprechen.


Um den weiteren Bau der Orgel zu organisieren, beauftragen die Witwen Hofmann den Amtscopisten Emil Eppler aus Neustadt ihre Interessen wahrzunehmen. In Absprache mit Pfarrer Göpfert und dem Seminarlehrer Anding aus Hildburghausen, der als Orgelrevisor der Kirche tätig war, wurde mit Orgelbauer F. W. Holland aus Schmiedefeld bei Suhl Übereinkunft getroffen, das Orgelwerk zu vollenden. Anderen interessierten Orgelbauern, wie z. B. A. Eifert aus Stadtilm wurde deshalb abgesagt und so kam es zur Vertragsunterzeichnung, die der Orgelbauer Holland am 12. November 1867 mit folgenden Worten bestätigt:

„Ich Endes unterschriebener erkläre hiermit, daß ich die von den beiden verstorbenen Orgelbauern Gebrüder Hofmann aus Neustadt bei Coburg gefertigte, durch deren Ableben aber nicht aufgestellte Orgel für die Kirche in Stelzen kunst- & contractgemäß noch in diesem Jahr aufstellen und zur Vollendung bringen, und ebenso die mir bekannten Mängel an der Orgel zu Steinheid beseitigen will und zwar für ein Honorar von 230 Gulden rh., mit Worten zweihundertdreißig Gulden rheinisch, die mir nach Beendigung der oben bezeichneten Arbeiten, jedoch erst dann, wenn diese selbst nach stattgehabter Revision als gelungen bezeichnet werden, baar und richtig von der Kirchgemeinde Stelzen auszuzahlen sind.
       

                                                                               Solches bekräftige ich durch meine eigenhändige Namensunterschrift,


                                                                                                  Schmiedefeld bei Suhl, den 12. November 1867


                                                                                                                    F. W. Holland Orgelbauer“ (4)

Hierzu muss erläutert werden, dass die Gebrüder Hofmann vor der Stelzener Orgel an der Orgel in Steinheid arbeiteten. Dort bauten sie 1864 eine Orgel um, die im Jahr 1794 von einem ihrer Vorfahren, nämlich Johann Andreas Hofmann (1749–1832) erbaut worden war. In oben angeführten Vertrag sollten also „ Mängel an der Orgel zu Steinheid“ von Herrn Holland vertragsgemäß mit erledigt werden.

Über den weiteren Bauablauf in Stelzen berichtet Pfarrer Göpfert wie folgt:

„Am 28. November 1867 abends traf H. Orgelbauer Holland mit einem Gehülfen August Steckel über Steinheid her ein und begann Tags darauf, die vorliegenden ersten Orgelteile zu sortieren. Montags drauf fanden sich 4 weitere Gehülfen ein, nämlich:


            August Holland, ein Sohn des H. Holland
            Franz Holland, ein Neffe desselben
            Valtin Heß
            Christian Blau
            sämtlichst aus Schmiedefeld.


Die Arbeit wurde nun ernstlich in Angriff genommen und es war nun gut, daß die Kälte nicht zu viel wurde […] wenn auch die Sakristei unter Anwendung einer Kochmaschine des Herrn Schultheiß Lutz aus hier heizbar gemacht wurde. Bei Wind vom Walde her wurde aller Rauch zurückgetrieben. Am 24. December gingen 3 Gehülfen wieder ab […] am 25. December, also am Weihnachtsfeste wurden 3 spielbar gemachte Register […]     im Gottesdienst zum ersten Mal angewandt. Am 6. Januar 1868 ging auch Franz Holland, welcher das Regiewerk hergestellt hatte ab und Holland der Sohn und Heß blieben bis zum 8. Februar, nachdem sie vorher noch zwei neue Bänke, welche vor der Orgel stehen, angefertigt hatten […]“ (4)

Die Abnahme des neuen Orgelwerkes übernahm am 6. Februar 1868 der Seminarlehrer Anding aus Hildburghausen. In seinem gutachterlichen Bericht schreibt er:

„Nach erhaltenem Auftrag nahm ich am 6.d.M. die Revision der von den Gebrüdern Hofmann aus Neustadt erbauten, nach deren frühzeitigen Ableben aber von dem Orgelbauer F.W. Holland aus Schmiedefeld vollendeten und von ihm aufgestellten neuen Orgel in der Kirche zu Stelzen vor, bei der sich ergab:


a) daß das ganze Werk hinsichtlich des Materials kontraktgemäß erbaut und auch so aufgestellt ist,
b) daß die einzelnen Stimmen hinsichtlich ihrer Intonation und Klangfarbe als vorzüglich, ja einzelne z.B. Salicional 8’ als meisterhaft gelungen zu bezeichnen sind,
c) daß das ganze Werk als Muster einer Orgel für eine Kirche von der Größe, wie die in Stelzen, gelten kann.


Diese neue Orgel – ihr letztes Werk – zeigt aufs Neue, wie im Interesse des Orgelbaus das frühzeitige Ableben der Gebrüder Hofmann zu beklagen ist. Aber auch Herr Holland hat hier durch das Anfertigen der Traktur, durch Aufstellung des ganzen Werkes, durch Intonation, der Stimmung der einzelnen Register gezeigt, daß er Meister seiner Kunst ist. Die von den Gebrüder Hofmann für das Hauptmanual gefertigten Springladen nach neuester Konstruktion empfehlen sich als vorzüglich gelungen. Da Herr Holland Oktave 2’ und Mixtur 3fach neu gefertigt hat, statt sie aus der  alten Orgel zu entnehmen, so dürfte er wohl das Recht haben, dafür eine Vergütung zu beanspruchen.                Anding“ (4)

 

Abb. 7, links: Originalhandschrift des Orgelbauers F. W. Holland, Schmiedefeld 1868

Abb. 8, rechts: Originalhandschrift des Orgelrevisors Seminarlehrer Anding, Hildburghausen 1868

Dieses Gutachten ergänzt Pfarrer Göpfert handschriftlich wie folgt:

„Im Betreff des zuletzt Erwähnten diene hiermit zur Nachricht, daß weder die Mixtur, noch die Octave 2’  aus der alten Orgel entnommen werden konnte. Nur letztere sollte aus dem Metall des Principals 4’ gefertigt werden, ist aber von Herrn Holland aus neuem Zinn angefertigt und ihm auf sein Verlangen sämtliches noch vorhandenes altes Zinn dafür überlassen worden. Die Mixtur lag schon fertig vor.
                                                                                                                                          Stelzen, 12. März 68 Göpfert“ (4)

Bei dem Gutachten des Orgelrevisors Anding wird dem aufmerksamen, fachinteressierten Leser aufgefallen sein, dass die Springladen besonders gelobt werden. Diese Aussage steht eigentlich im Widerspruch zur Disposition vom 23.September 1865 und dem abgeschlossenen Orgelbauvertrag vom 7.November 1865, wo man sich auf Schleifladen für die gesamte Orgel geeinigt hatte. An dieser Stelle kann der Autor nur eine Vermutung aussprechen:


In ihrem ersten eigenständigem Orgelbau wollten die beiden Brüder das Neueste selbst ausprobieren und bauten – eigentlich ohne zusätzliche Bezahlung – für das Hauptmanual die neueren Kegelladen ein. Sie verwendeten dabei den Begriff „Springlade“ anstelle des Fachausdrucks Kegellade, der heute gebräuchlich ist.


Unterstützt wird diese Ansicht dadurch, dass auch Pfarrer Göpfert mehrmals in seinen Aufzeichnungen wörtlich formuliert: „Kegel– oder Springladen“.


In diesem Zusammenhang sei auch dem Leser der in der Dorfzeitung erschienene Artikel zur Vollendung des Orgelbaus nicht vorenthalten. Man beachte hierbei die „gestochene“ Ausdrucksweise!

„Anerkennung und Dank


Das neue Orgelwerk, welches die Herrn Gebrüder Gottlieb und Ferdinand Hofmann zu Neustadt bei Coburg unter Anwendung der Springladenmeister-Construction für das Hauptmanual für hiesige Kirche erbaut haben, nach deren frühzeitigem Ableben aber Herr Orgelbauer F.W. Holland aus Schmiedefeld bei Suhl, bereitswilligst  aufgestellt und vollendet hat, ist nach dem darüber abgegebenen Gutachten des Herrn Seminarlehrers Anding zu Hildburghausen, als des bestellten Revisors, hinsichtlich der Anlage, des Baues, der Intonation und Klangfarbe der einzelnen Stimmen, kurz nach der ganzen Aus- und Durchführung so vorzüglich und in einzelnen Theilen selbst so meister- und musterhaft gelungen, daß der frühe Tod der ersteren im Interesse des Orgelbaus beklagt und letzterer als ein Meister in seiner Kunst bezeichnet wird. Indem wir dieses unter viel Dank und Anerkennung im Namen der Kirchgemeinde hiermit zur Kenntnis der Öffentlichkeit bringen, können wir zugleich nicht umhin, Herrn F.W. Holland allen Kirchgemeinden, welchen neuer Orgeln bedürfen, Bestens zu empfehlen.
                                                                                                                                 Stelzen bei Eisfeld, den 18. März 1868
                                                                                                                                 Der Kirchenvorstand dort
                                                                                                                                 D. Göpfert, Pfarrer“ (4)

 

Nach erfolgter Orgelabnahme säumte Pfarrer Göpfert nicht und führte am darauffolgenden Sonntag, den 9. Februar 1868 die Orgelweihe durch, deren Ablauf er ausführlich beschreibt und seinen Bericht mit folgenden Worten schließt:

„Der Gottesdienst war, namentlich auch von Fremden sehr zahlreich besucht und hat wohl allgemein einen recht guten Eindruck hinterlassen.“ (4)

Das neue Orgelwerk war damit seiner Bestimmung übergeben, wartete aber zwecks Aussehen und Werterhaltung noch auf seinen Anstrich. Dazu schreibt der Ortspfarrer am 1. Juni 1868:

„Im Betreff des Anstriches der neuen Orgel wurde im Beisein des hiesigen Herrn Schultheiß J. Lutz & Herrn Schullehrers Rotteck – (die beiden anderen Herren Schultheiße fehlten, ihr Nichtkönnen schriftlich entschuldigt) – heute Verabredung dahin getroffen, daß im Anfange des August dieses J. die Orgel & die Säulen & Träger unter dem Chor durch Günther Luther aus Heubach um 65 Gulden rh. und Trinkgeld angestrichen werde, & zwar die Säulen mit Firnißfarbe marmoriert & die Träger mit Leimfarbe, die Orgel aber so, daß die Hauptfarbe die Eichholzfarbe wird & die Erhöhungen bei den Verzierungen vergoldet werden und die Vertiefungen damit sie besser hervortreten, eine dunkle Farbe erhalten. Die Hälfte des Betrages wird nach Vollendung der Arbeit, die andere aber etwa Weihnachten bezahlt.
                 

                                                                                                                         Stelzen, den 1. Juni 1868    D. Göpfert“ (4)

Das Fernbleiben  der Schultheiße von Mausendorf und Neuendorf bei der Absprache entschuldigt der Erstgenannte folgendermaßen:

„Durch die baar Zeilen darinnen Sie mich in Kenntniß  gesetzt von wegen des Anstreichen der Orgel, kann ich meine Verwilligung nicht dazu geben, denn meine Nachbarn wollen es nicht haben. Sie wünschen, die Orgel möchte erst bezahlt, eh sie angestrichen würde, denn durch Rücksprache mit H. Holland kostet auch nicht mehr, wenn sie erst nach Jahren angestrichen würde. Ich werde nicht erscheinen, denn ich habe jedes Mal Vertruß von den Sachen wo meine Nachbars nicht zufrieden sind, weil es zu häufig kommt.
                  

                                                                                                                            Mausendorf, den 1. Juni 1868
                                                                                                                            Martin Stößel, Schultheiß“ (4)

Ein Schreiben, das einen Blick in das „Innenleben“ der Gemeinden offenbart. Allzu verständlich sind die Einwände der Bürger gegen die auf sie zukommenden finanziellen Belastungen. Umso höher ist aber ihre Opferbereitschaft einzuschätzen, das Orgelwerk zu einem guten Abschluss zu bringen. Denn auch der Anstrich des Orgelgehäuses wurde realisiert und mit „68 GD.rh. die Kosten für den Anstrich der neuen Orgel und die Vergoldung der Verzierungen […] in der Kirchcassenrechnung pro 1868“ bestätigt.

 

Insgesamt ergeben sich für diesen Orgelneubau laut der von Pfarrer Göpfert am 2.März 1869 vorgelegten und vom Beamten Herrn Todewarth des Herzoglichen Kirchen- und Schulamtes Eisfeld am 21.Mai 1869 als richtig anerkannte Belegführung
                                    1277 Gulden rh. und 50 Kreuzer.


In dieser für die damalige Zeit doch sehr ansehnlichen Summe, sollen dem Leser noch zwei, zwar kleine, aber doch interessante Positionen näher gebracht werden.


So bestätigt zum einen der Orgelbauer F. W. Holland am 13. Februar 1868 den Erhalt von 9 Gulden rh. Pfarrer Göpfert erläutert diese Ausgabe wie folgt:
   „Obige neun Gulden rh. werden auf Anrathen des Herrn Orgelrevisors Anding und unter Zustimmung des Herrn Oberamtsmann Cronacher verabreicht, weil das Werk so vortrefflich gelungen war und ein Trinkgeld von 20 – 25 Gulden aber in allen solchen Fällen gegeben wird.“ (4)

Abb. 9: Handschrift des Pfarrers Göpfert 1869

Als zweite Position sei eine Auszahlung von 12 Gulden 20 Kreuzer am 16. März 1868 an Johann Nicol Langbein, Gastwirt zu Stelzen benannt:

„[…] für 148 Maße Bier, a’ Maß 5 Ltr. während des Aufstellens der neuen Orgel an Herrn Orgelbauer F. W. Holland aus Schmiedefeld und seine fünf Gehülfen, a’ Mann jeden Abend 1 Kärtchen abgemacht, aus hiesiger Orgelbaucasse richtig erhalten zu haben, bescheinige ich mit meiner Namensunterschrift.“ (4)

Diese Zeilen versieht Pfarrer Göpfert mit folgender Anmerkung:

„Das Verbrauchen obigen Bieres, nämlich jeden Tag abends ein Kärtchen pro Mann war durch die Mitglieder des Kirchenvorstandes beschlossen.“ (4)

So wird auch wohl eine schriftlich festgehaltene Bemerkung des Ortspfarrers verständlich, in der er schreibt:

„Das Verhältnis zu den Orgelbauern hatte sich hier in den eingepfarrten Ortschaften zu einem recht freundlichem gestellt.“ (4)

So konnten sich die Einwohner von Stelzen und der Gemeinden Mausendorf und Neuendorf in jedem Gottesdienst am Wohlklang ihrer neuen Orgel erfreuen, und wenn man davon ausgeht, dass der Gottesdienstbesuch zu einem festen dörflichen Ritual der damaligen Einwohner gehörte, war wohl jeder in die Orgel investierte Gulden oder Kreuzer sein Geld wert!

Abb. 10: Vorschlag zum Orgelprospekt von Hofmann & Söhne vom 18.Oktober 1865. Dieses Prospekt wurde nie realisiert. Es ist eine verblüffende Übereinstimmung zum Prospekt der Orgel in Sonnefeld (Lkr. Coburg), erbaut 1856 von Hofmann & Söhne unter Verwendung des Gehäuses von Nicolaus Feyler, festzustellen.


3. Die heutige Orgel

Für die im Jahr 1868 fertiggestellte Hofmann-Orgel taucht in den Akten der  Kirchgemeinde Stelzen ein Wartungsvertrag vom 10. Dezember 1883 auf, in dem es heißt:

„Herr Orgelbauer Kühn verpflichtet sich jährlich zur bestimmten Zeit die Orgel zu Stelzen zu stimmen und die kleineren Reparaturen zu besorgen. Dagegen verspricht der Kirchenvorstand zu Stelzen für diese Arbeiten 9 – neun – Mark zu zahlen.“ (5)

Unterschrieben ist dieser handschriftliche Vertrag von Pfarrer Georg Köhler und Orgelbauer Theodor Kühn aus Schmiedefeld.
Die in diesem Wartungsvertrag genannten „kleineren Reparaturen“ zeigen sich schon bald als viel aufwändiger als geplant. Ab 1885 beginnt ein Briefwechsel zwischen Pfarramt, Kirchen-und Schulamt und  dem zuständigen Orgelrevisor Anschütz, der seinen Grund in gravierenden Mängeln der Hofmann-Orgel hat. Insbesondere die Windladen, als wichtigste Voraussetzung zur Tonerzeugung, scheinen Probleme bereitet zu haben. So wird ein Visitationsbericht des Ortspfarrers vom 14. Juli 1885 genannt, in dem steht:

„Bei den Windladen wäre eine Reparatur nöthig, am besten wären neue, wie der Orgelbauer Kühn in Schmiedefeld angibt.“ (5)

Für diese Reparaturarbeiten werden Kostenanschläge verlangt, von denen einer etwas näher betrachtet werden soll. Der Orgelbauer Christoph L. Müller aus Oberneubrunn schreibt am 31. Mai 1896 an den Stelzener Lehrer Pankraz folgendes:

„Geehrter Herr Lehrer!
[…] Die Reparatur der Orgel auf den jetzigen Stand kann sich mit neuen Windladen, Veränderung der Traktur sowie des Regiewerks und den neu anzufertigenden Teilen zwischen 5 -600 Mark belaufen, mit Versetzung der Orgel auf entgegengesetzter Seite könnte sich der Kostenpunkt auf 700 Mark, etwas darüber oder darunter stellen, da ich die Örtlichkeit des gegenüberliegendes Chor nicht kenne, so wäre es rathsam die Platzverhältnisse erst vorher einzusehen, ob sich die Bälge auf dem Chor anbringen lassen, oder dieselben auf den Kirchenboden untergebracht werden müssen.“ (5)

Zwei Dinge erscheinen dem Autor wieder bemerkenswert:
Sämtliche von diesem Zeitpunkt ab auffindbare Korrespondenz ist an den Lehrer Pankraz gerichtet. Das hier der Ortspfarrer nicht eingebunden ist, hat eine ganz einfache Ursache. Als Pfarrer Georg Köhler 1888 pensioniert  wurde, endete die Reihe der ortsansässigen Pfarrer. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Kirchgemeinde Stelzen nur noch seelsorgerisch betreut, zumeist vom Pfarramt Sachsendorf (vgl. Anhang 5.2).


Durch die Bemerkungen „Versetzung der Orgel auf entgegengesetzte Seite“ und „Örtlichkeit des gegenüberliegenden Chores“ wird wie im vorherigen Kapitel bereits beschrieben, noch einmal belegt, dass die Hofmann-Orgel 1868 im Altarraum aufgebaut war.
Die erwähnten Reparaturvorschläge werden 1896 nicht realisiert, sondern erst in den Jahren 1908-1911 im Zusammenhang mit größeren Bautätigkeiten an der St.-Marien-Kirche zu Stelzen umgesetzt. Diese Bautätigkeiten beginnen 1908 mit der Umdeckung des Daches des Langhauses. Nachdem im Zusammenhang mit dem Orgelbau 1865-68 bereits Altarhalle und Turm neu verschiefert worden waren, wurde 1908 durch Schieferdeckermeister Bähring aus Alsbach auch die Ziegeleindeckung des Langhauses durch eine Naturschieferdeckung ersetzt. Diese Dachdeckerarbeiten sind Beginn einer umfangreichen Bautätigkeit an der Stelzener Kirche. Aus dem „Kostenanschlag betreffend Instandsetzungsarbeiten für die Kirche in Stelzen 1910/11“ (6) seien nur einige Zahlen und Fakten benannt:

„Tit.I     Erd- und Maurerarbeiten
    Auffüllung Kirchenschiff
    neue Stufen zum Altar
    neue Platten überall […]                                                                                                        3430,00Mark
Tit.II    Zimmer- und Schreinerarbeiten
    […] Herausnehmen der alten Emporen und Stände
    neue Bänke im Schiff
    neue Empore und Treppe
    neue Bretterdecke in Altarhalle […]                                                                                    2258.41Mark
Tit.III    Glaserarbeiten
    […] 3 neue Fenster in Altarhalle
    mit Bleiverglasung […]                                                                                                            455,00 Mark
Tit.IV    Schlosserarbeiten                                                                                                           290,00 Mark
Tit.V    Tüncherarbeiten                                                                                                             1580,00Mark
Tit.VI    Insgemein
    […] 74lfdm. Bänke, Kanzel
    Instandsetzung der Umwehrung des Grundstücks                                                         2386,59 Mark
        Gesamt:                                                                                                                             10400,00 Mark“ (6)

Hinzu kommen Planungskosten mit 509 Mark, die neue Turmuhr mit 600 Mark und Kosten für eine neue Orgel mit 3480 Mark. In der Summe Kosten von 14989,59 Mark, die von Baurat Schubert (Herzoglicher Baurat in Meiningen) am 12. Februar 1911 genehmigt und an die einzelnen Firmen per „Allgemeiner Submissions-Bedingungen“ übergeben wird. Auf diese Umbauten soll nicht weiter eingegangen werden, aber das Thema „neue Orgel“ muss näher beleuchtet werden.


Bereits am 21. Januar 1909 wendet sich der Orgelbauer Johannes Strebel aus Nürnberg in einem Brief an den Lehrer Pankraz in Stelzen, in dem es heißt:

„Herr Lehrer Joch in Mupperg , wo ich im November vor. J. eine neue Orgel mit zwei Manualen und fünfzehn klingenden Registern aufgestellt habe, machte mich darauf aufmerksam, daß in Stelzen die Kirche renoviert und auch eine neue Orgel angeschafft werden soll. Ich wäre Ihnen nun sehr dankbar, wenn Sie die Güte haben würden, mir hierrüber einiges Nähere mitteilen zu wollen. Ich würde mich natürlich  gerne um den Neubau der Orgel, falls ein solcher geplant ist, bewerben und ohne Risiko und Kosten für die Gemeinde ein Gutachten über die dortige Orgel und einen Kostenanschlag für ein neues Werk ausarbeiten. Über die Leistungsfähigkeit  meiner Firma wird Ihnen Herr Lehrer Joch gewiss gerne Auskunft geben.“ (6)

Schon am 26. Januar 1909 folgt das nächste Schreiben Strebels an den Lehrer:

„Im Besitz Ihres w. Schreibens vom 22. d. M. danke ich Ihnen verbindlichst für     Ihre liebenswürdige und ausführliche Beantwortung meiner Anfrage. Daß es Sich in Stelzen nicht um eine neue Orgel handelt, ist für mich kein Grund von der Bewerbung um die Arbeit abzusehen. Ich denke, daß es für die Gemeinde von Wert ist auch von anderer Seite ein Urteil über die Orgel und Vorschläge für den Umbau des Werkes zu erhalten. Soweit ich mir nach Ihren gefl. Mitteilungen ein Urteil bilden konnte, hielte ich es für richtiger, die alte Mechanik ganz zu entfernen und das Werk pneumatisch umzubauen, wobei dann allerdings nur das Pfeifenwerk, Gebläse und Gehäuse wieder Verwendung finden könnten, doch könnte ich, wie gesagt, bestimmte Vorschläge nur nach vorhergegangener eingehender Untersuchung machen. […]“ (6)

Diese Besichtigung findet am 25. Februar 1909 statt, sodass der Orgelbaumeister Johannes Strebel am 23. März 1909 „Ein ausführliches Gutachten über die alte Orgel, einen detaillierten Kostenvoranschlag über vollständigen Umbau des Werkes nebst einer Grundrißskizze der neuen Orgelanlage, aus der zu ersehen ist, wie außerordentlich viel Platz zu gewinnen ist….“ (6) nach Stelzen sendet. In diesem Brief schreibt Strebel weiter:

„Bei Eintreffen Ihrer w. Karte v. 20.d. M. war mein Projekt bereits fertig ausgearbeitet. Nach den in meinem Gutachten gemachten Ausführungen ist es ganz unmöglich, daß ich eine Reparatur der alten Orgel auch nur vorschlagen kann, ich käme dadurch in direktesten Widerspruch zu dem, was ich geschrieben habe. Von einer Reparatur ist überhaupt bei einem von Haus aus total mißratenem Werk einfach nichts zu erhoffen, es wäre nur eine Pfuscherei und ich möchte den Namen meiner Firma mit einer solchen Arbeit unter gar keinen Umständen in Verbindung bringen. […]     Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, so ist es der:


Lassen Sie die Orgel von Herrn Seminarlehrer Johne in Hildburghausen untersuchen und zeigen Sie ihm dann mein Gutachten und mein ganzes Projekt, ich weiß bestimmt, daß Herr Johne sich genau auf meinen Standpunkt stellen und dann aber auch der herzogl. Regierung gegenüber ganz energisch betonen wird, daß eine Reparatur und ein Flickwerk hier identisch wären. Die herzogl. Regierung wird Ihnen dann ohne Zweifel so viel Zuschuß gewähren, daß der vollständige Umbau der Orgel zur Ausführung kommen kann. Von der Möglichkeit einer Reparatur sollten Sie     überhaupt garnichts erwähnen. Eine durchgreifende Reparatur würde meiner ungefähren Schätzung nach sicher M 2200 bis M 2600 kosten; ich hielte aber das Geld einfach für zum Fenster hinausgeworfen, denn das was im günstigsten Falle zu verzeichnen wäre, stünde zu diesem Kostenaufwand in gar keinem Verhältnis. Sie behielten den alten, monströsen Orgelkasten, der auf der anderen Empore kaum unterzubringen wäre, Sie hätten ein elend besetztes II. Manual, hätten die längst veralteten Schleifladen im II. Manual und Pedal, eine mechanische Traktur und müßten für unabsehbare Zeiten auf alle Annehmlichkeiten der Pneumatik verzichten, während Sie bei einem Mehraufwand von ca.1000 Mark eine so gut wie vollständig neue Orgel nach moderner Disposition, Konstruktion und Anlage erhalten.“ (6)

Diesen drastischen Ausführungen seien zur Ergänzung aus dem Strebelschen Gutachten über die Hofmann-Orgel nur einige kurze Bemerkungen angefügt:

„Was zunächst die Disposition betrifft, so ist diese insofern verfehlt, als das II. Manual im Verhältnis zum I. außerordentlich schwach besetzt ist. Einer Registerzahl von 7 Stimmen im Hauptwerk stehen im Oberwerk nur 3 und zwar lediglich schwache Begleitstimmen gegenüber. Das richtige Verhältnis wäre etwa 6 zu 4. Die einzelnen Register lassen hinsichtlich richtiger, ihrem jeweiligen Namen entsprechender Klangfarbe und Klangstärke vielfach sehr zu wünschen Übrig und das Stärkeverhältnis der einzelnen Stimmen zueinander ist teilweise ein falsches […] Das Pfeifenwerk, soweit es aus Holz ist, ist verhältnismäßig gut, wenn es auch in einzelnen Registern  die nötige Akkuratesse in der Anfertigung vermissen läßt. Die Zinnpfeifen dagegen sind fast sämtlich äußerst mangelhaft. Sie sind namentlich fast durchweg in den Wandungen zu dünn und ungleich ausgearbeitet und es fehlen ihnen die zur Erzielung einer präzisen, sicheren Ansprache und Tongebung unbedingt notwendigen Intoniervorrichtungen. Ebenso sind sämtliche Zinnpfeifenauch ohne Stimmvorrichtungen und deshalb durch öfteres Nachstimmen an den Rändern zerschlagen, aufgerissen oder zusammengedrückt, kurz, übel zugerichtet. […] Von geradezu kläglicher Beschaffenheit sind die Windladen sowie der gesamte Mechanismus der Orgel. Die Windladen des I. Manuals, die nach dem System der „Kegellade“ angefertigt sind, stellen ein nach Konstruktion und Ausführung total mißratenes Machwerk dar. Es scheint überhaupt, dass der Erbauer der Orgel, der aus allem zu schließen, nichts weniger als ein Meister seiner Kunst war, nach dem, was er hier geliefert hat, weder das System der Kegellade genügend gekannt hat, noch befähigt war, es so anzuwenden und auszuführen, daß es gut und zuverlässig funktioniert und man darf umsomehr annehmen, daß die hier verwendete Kegellade einen ersten Versuch darstellt, der allerdings gänzlich misslang, als diese Annahme noch dadurch bestärkt wird, daß die Windlade des II. Manuals und des Pedals nach dem alten „Schleifladen“ –System, allerdings auch nur in mangelhafter Ausführung hergestellt sind.“ (4)

Welcher Widerspruch zwischen dem Gutachten von Seminarlehrer Anding über die Hofmann-Orgel 1868 und diesem Bericht aus dem Jahre 1909!


Der Autor dieser Schrift muss sich einer eigenen Meinung dazu mangels Sachkenntnis enthalten und bittet den Leser selbst um eine Meinungsbildung. War die Hofmann-Orgel von Anfang an schlecht konzipiert? War die Ausführung des Werkes als erster Versuch einer Kegellade mangelhaft? Oder hat sich im Gebrauch in etwa 40 Jahren ein solch schlechter Zustand der Mechanik eingestellt?

 

Abb. 11: Klaviatur der heutigen Orgel

Als Tatsache bleibt bestehen, dass Johannes Strebel entsprechend seinem Gutachten den Umbau – eigentlich einen Neubau des Orgelwerkes in seinem Kostenvoranschlag vom 23. März 1909 empfiehlt. Aus diesem „Kostenvoranschlag über den Bau einer neuen Orgel für die evangelische Kirche in Stelzen“ seien einige Fakten benannt:

„I. Manual    (Tonumfang: C'- f3,54 Töne)


1) Principal 8‘  Der tiefste Ton C‘ neu, aus Fichtenholz von Cis- H Verwendung der Holzpfeifen des alten Registers Princapal 8‘. Die alten Holzpfeifen werden sauber abgehobelt, erhalten neue Vorschläge mit Intonierrollen zur Erzielung einer prompten Ansprache und mit Stimmschiebern und neuen Füßen mit Intonierrollen versehen. Von c 4‘ an neu, c-h aus starkem aluminiertem Zink, im Prospekt von c1 an aus 75% Zinn. Intonation: Voller, markiger Ton                        M. 170,-


2) Bordun 16‘ mit Verwendung des alten Registers. Die alten Pfeifen sind sauber abzuhobeln. Sämtliche Spunde und Griffe sind zu erneuern, erstere neu zu beledern.  Die ausgeschraubten Vorschläge erhalten neue Schrauben, die aufgeleimten werden durch neue, aufgeschraubte ersetzt. Das ganze Register ist weicher und schwächer zu intonieren [...]" (4)

Als Hinweis an den Leser sei hier erwähnt, dass die vollständige Intonation der Strebel-Orgel im Vergleich mit der Hofmann-Orgel unter Punkt 5.1 dieser Schrift nachzulesen ist. Aus ihr ist ersichtlich, dass durch eine bessere Verteilung der Stimmen eine Gleichgewichtung des I. und II. Manuals erreicht werden soll.


Unter „[…] B Sonstige Bestandteile und Arbeiten“ heißt es weiter:

„[…]17) Gehäuse: Das alte Gehäuse kann wieder verwendet werden. Die Front soll jedoch durch Weglassen der beiden mittleren kleinen Pfeifenfelder auf eine Breite von 2,95 m reduziert werden. Es sind folgende Arbeiten auszuführen:


a)   Abbruch der alten Orgel, sorgfältige Verpackung der wieder zur Verwendung kommenden alten Holzregister und des Gehäuses. Transport nach Nürnberg
b)   Abänderung der Gehäusefront mit Neuanfertigung der mittleren Partie des Untergehäuses.
c)   Neuanfertigung der beiden Seitenwände des Gehäuses von je 1,50 m Breite und 4,60 m Höhe. Gestemmte Rahmen mit angeschlagenen und verschließbaren Füllungen. […]


19) Windladen für 5 Register im I. Manual, 4 Reg. Im II. Man., 2 Reg. Im Pedal. Aus gut abgelagerten Fichten-, Kiefern- und Eichenholz hergestellt. Nach dem in allen Temperaturverhältnissen seit Jahren bestens bewährtem System der pneumatischen Taschenventil- Windlade eingerichtet. Die Weite der Registerkanzellen , die Größe der Register- und Pfeifenventile sowie der Windführungen ist so bemessen, daß auch beim vollgriffigstem Spiel keine Störung im Windzufluß möglich ist. Zu den Membran- Ventilen wird besonders präpariertes ?-Spaltleder verwendet. Zum Schutz gegen Feuchtigkeit erhalten die Windladen doppelten Lackanstrich. […]


24) Magazingebläse im Werk selbst untergebracht. Aus starkem Tannenholz mit ein- und auswärtsgehenden Falten und starken eisernen Regulierscheren zur Parallelführung. Alle beweglichen Teile aufs dauerhafteste verbunden und winddicht beledert. Mit einem großen Schöpfbalg, zum Treten auf der Seite der Orgel eingerichtet, samt Balgmechanik. […]


Weitere Bemerkungen:
1.   Den Transport von der Station Eisfeld bis zur Kirche in Stelzen übernimmt der verehrl. Kirchenvorstand.
2.   Während der Dauer der Orgelaufstellung stellt der verehrl. Kirchenvorstand, wie üblich, einen tauglichen Handlanger kostenfrei zur Verfügung. ( Dauer der Orgelaufstellung ca. 6 Tg.).
3.   Die Garantiedauer beträgt 5 Jahre.
4.   Nachrechnungen irgendwelcher Art sind ausgeschlossen.
Für die Zeit der Kirchenrenovierung stellt der Unterzeichnete auf Wunsch, gegen Erstattung der Transportkosten ein Harmonium unentgeldlich zur Verfügung.“ (4)

Dieser Kostenvoranschlag beläuft sich insgesamt auf 3635 Mark abzüglich der Rücknahme alter Zinnpfeifen im Materialwert von 155 Mark, also eine „ Akkordsumme- M 3480“.
Im letzten Teil dieses Kostenvoranschlages heißt es:

 

„Eine Orgel nach der dem vorstehenden Kostenvoranschlag zu Grunde liegenden Disposition wird einerseits hinsichtlich Stärke für die Kirche in Stelzen vollkommen ausreichen und eine edle, gesättigte Gesamtklangwirkung ergeben, andererseits aber auch eine große Anzahl wirkungsvoller und charakteristischer Einzelmischungen ermöglichen. Das Register Viola di Gamba 8', das meist im Hauptwerk disponiert wird, wurde hier mit gutem Grund in das obere Manual gestellt, damit letzteres ein dem Hauptwerk einigermaßen entsprechende erhält. Wird  Viola di Gamba als Solostimme benützt, so hat es in der Flöte 8' des I. Manuals eine schöne Begleitstimme mit heterogenem Klangcharakter. Als Begleitstimme für Flöte 8' dient das Salicional 8' des II. Manuals….


Mit der Versicherung, daß der ergebenst Unterzeichnete, wenn ihm der Um- bzw. Neubau der Orgel übertragen wird, ein in jeder Hinsicht gediegene und namentlich in der Intonation künstlerisch vollendete Arbeit liefern wird, zeichnet, zu jeder weiteren Auskunft stets gern bereit mit aller Hochachtung ergebenst                           

                                                J. Strebel, Orgelbaumeister“ (4)

 

Abb. 12: Titelblatt des Kostenvoranschlages zum Umbau der Hofmann-Orgel durch Orgelbaufirma Strebel, Nürnberg

Wie schon erwähnt, muss man dem Bau dieser Strebel-Orgel im Zusammenhang mit der umfassenden Kirchenrestaurierung sehen. Aus diesem Grunde waren die finanziellen Mittel auch seitens der Herzoglichen Regierung eigentlich aufgebraucht, so dass für die Orgel kein Geld mehr zur Verfügung stand. Als das der Lehrer Pankraz dem Orgelbauer Strebel am 25. Juli 1909 in Briefform mitteilte, antwortete dieser am 3. August 1909 wie folgt:

„Wäre es denn nicht möglich, dass die Gemeinde durch ein Bittgesuch direkt an den Herzog, der erst neulich, wie ich las, der Gemeinde Bachfeld- bei Schalkau-  2600 Mk.  für Renovierung der dortigen Orgel schenkte, etwas erreichen könnte? Dass Sie Ihre Orgel in dem Zustand, in dem sie sich gegenwärtig befindet, nicht noch 3 Jahre benützen können, ist ganz selbstverständlich. Ihr Gebrauch ist ja stets gleichbedeutend mit einer  Störung des Gottesdienstes.“ (6)

Diesen Hinweis aufgreifend entwickeln die Verantwortlichen in Stelzen rege Initiative, um beim „Herzog“ – gemeint ist der regierende Landesherr von Sachsen-Meiningen, Herzog Georg II. – vorstellig zu werden und die entsprechende finanzielle Unterstützung zu erbitten. Über die Reaktion des Landesfürsten geben die Akten 11 und 9, leider nicht in handschriftlicher Form, sondern nur in Abschrift – hier aber bereits mit Schreibmaschine – Auskunft:

„Klar ist mir nicht. Warum nicht eine kleinere Orgel, als die projektierte, gebaut werden soll. Hängt das vielleicht mit dem Umfang des Gehäuses der alten Orgel zusammen, das für das neue Instrument gelassen werden soll?


Pl. den 1.10.10                                                                                                                         gez. Georg

 

Die Kirche ist so klein, dass ein großes Harmonium genügen würde, ich verstehe daher nicht, warum die Orgel so teuer kommt.


Pl. den 2.10.10                                                                                                                        gez. Georg“ (6)

Diese von seitens des Landesherren und Geldgebers wohl berechtigten Fragen werden vom Kirchenvorstand in Stelzen wohl hinlänglich beantwortet, so dass es zu folgendem Entschluss kommt:

„In Stelzen wünscht man, dass ich zur Orgel zahle, dass ich die Kirchenreparatur auf mich nehme, wurde nicht erbeten, wie es  nach Pfarrer Ress scheint. Dem entsprechend werde ich 3000 Mk. zur Orgel beisteuern.


Pl. 23. Oktober 1910                                                                                                             gez. Gg.“ (5)

Abb. 13 links: Gehäuse der alten Hofmann-Orgel, rechts: Gehäuse nach dem Umbau durch Strebel, Nürnberg

So erfolgt über das Herzogliche Kirchenamt Eisfeld die Anweisung an den Kirchenvorstand in Stelzen am 30. Oktober 1910 mit folgendem Wortlaut:

„[…] zur Nachricht mit dem Bemerken, dass mit Genehmigung Seiner Hoheit des Herzogs 3000 Mk. aus den Mitteln des Hülfsfonds - Zuschüsse zu kirchlichen Bauten – für die Kirchenreparatur verwilligt worden sind.  Zahlungsanweisung erfolgt unter Voraussetzung der Fertigstellung im nächsten Jahre gegen Bescheinigung des Herzoglichen Landbaumeisters über plan- und ordnungsmässige Ausführung.
   

Der Oberkirchenrat                                                                                                                       gez. Trinks“ (5)

Bezüglich der Auszahlung dieser Mittel gibt es in den Akten eine Anweisung des Kirchenamtes Eisfeld zur „alsbaldigen Auszahlung“ vom 5.Oktober 1911, also zu einem Zeitpunkt, als die neue Orgel ihrer Vollendung entgegen sieht.

Aber so weit war es noch nicht! Zuvor musste erst noch ein Orgelbauvertrag abgeschlossen werden. Das erfolgte nach den Vorgaben des Kostenvoranschlages vom 23.März 1909 zwischen


         „1. dem Kirchenvorstand der Gemeinde Stelzen einerseits und
           2. der Firma Johannes Strebel, Orgelbau-Anstalt in Nürnberg andererseits“ (4)


am 15. Mai 1911 (Unterschrift Strebel) bzw. am 19. Mai 1911 (Unterschrift Pfarrer Ress, Sachsendorf).
In dem Orgelbauvertrag wird die Aufstellung des neuen Werkes für Anfang September 1911 festgeschrieben. Zum Beginn des Orgelneubaus schreibt Johannes Strebel am 15. Mai 1911 an den Pfarrer:

„Herr Baurat Schubert teilte mir mit, daß die Kirche in Stelzen gleich nach dem Pfingstfest geschlossen wird. Ich werde daher, falls Sie nicht wünschen, daß die Orgel an Pfingsten noch benützt werden kann, in der nächsten Woche dieselbe abbrechen lassen. Für die Zeit vom Abbruch der alten Orgel bis zur Fertigstellung des neuen Werkes stelle ich der Gemeinde ein Harmonium unentgeltlich zur Verfügung. Ihrer gefl. Rückäusserung gewärtig, zeichne


                                                                                                                                                   mit vorzüglicher Hochachtung
                                                                                                                                                                ergebenst
                                                                                                                                                             Johannes Strebel“ (4)

Abb. 14: Prospekt der heutigen Orgel

Es ist aber schon zu ahnen – auch dieser Orgelbau geht nicht ohne Komplikationen und Verzögerungen über die Bühne. So schreibt J. Strebel am 11. September 1911 an den Kirchenvorstand in Stelzen:

„Wie Ihnen nicht unbekannt sein dürfte, sind unter der andauernden Einwirkung der nun schon seit Monaten anhaltenden abnormen Hitze und Trockenheit bei den meisten Orgeln infolge des übermässigen Schwindens aller Holzteile derartige Schäden eingetreten, dass die Benützung solcher Werke nicht mehr möglich war. Infolgedessen sind seit Ende Juli die Aufträge zur Reparatur derartiger Schäden so massenhaft bei mir eingelaufen […], dass ich, trotzdem zeitweise fast mein ganzes Personal damit beschäftigt war, dieselben bis heute noch nicht alle erledigen konnten. Durch diese total unvorhergesehenene und auch nicht abwendbare Arbeitsüberhäufung mussten nun leider die Arbeiten an den in Auftrag befindlichen neuen Werken so zurückstehen, daß ich jetzt keine Möglichkeit mehr sehe, die Verzögerung wieder auszugleichen. Die Lieferung Ihrer Orgel war laut Vertrag für Anfang September vorgesehen, doch ist es mir unter den geschilderten Verhältnissen bei besten Willen nicht möglich, Ihnen dieselb vor Mitte Oktober zu liefern. Indem ich Sie bitte, angesichts der gegenwärtigen ganz abnormen Verhältnisse gütigst Nachsicht walten zu lassen,
                       

                                                                                                                                        zeichne mit aller Hochachtung
                                                                                                                                                    ergebenst
                                                                                                                                                  Joh. Strebel“ (6)

Die Kirchgemeinde Stelzen schaltet den für den gesamten Kirchenumbau verantwortlichen Herzoglichen Baurat Schubert ein. Dieser erhält auf seine dringliche Nachfrage vom Orgelbauer Strebel am 9. Oktober 1911 die Zusage:

„[…] Betr. der Aufstellung der Orgel kann ich Ihnen nun heute bestimmt mitteilen, dass dieselbe bis Sonntag den 5. November erfolgen wird, so dass die Einweihung der Kirche an diesem Tag stattfinden kann. […]“ (6)

Mit Frachtbrief der „K. Bay. STS-Eisenb.“ vom 28. Oktober 1911 wird die Verschickung „einer Kirchenorgel – 3590kg“ in „einer Wagenladung nach Eisfeld (S.-Mein.)“ dokumentiert. Nach erfolgtem Aufbau des Orgelwerkes auf der Empore der Stelzener Kirche gibt Seminarlehrer und Orgelrevisor Johne, Hildburghausen am 5. November 1911 folgendes Gutachten ab:

„Nachdem die neue Orgel in der Kirche zu Stelzen von Herrn Orgelbaumeister Strebel in Nürnberg fertiggestellt worden ist, habe ich, Endes Unterzeichneter, dieselbe am gestrigen Tage der vorschriftsmäßigen Prüfung unterzogen. Das Ergebnis der letzteren war folgendes:
Die Orgel ist dem Kostenanschlage gemäß, der allerdings bei der Abnahme nicht zur Hand war, ausgeführt, sie hat 5 Register im ersten, 4 im zweiten Manual, zwei im Pedal, dazu 3 Koppeln und 2 Kollektivzüge mit Auslöser. Das Material (Holz und Metall) ist sehr gut und sauber verarbeitet. Im vollen Werk  entwickelt die Orgel völlig ausreichende Kraft und Fülle des Tones. Jedes einzelne Register ist gut intoniert, gleichmäßig durchgeführt und spricht tadellos an. Das dauerhaft gearbeitet Gebläse gibt ausreichend Wind und geht sehr ruhig. In allen Teilen ist das Werk sauber und solid gearbeitet, so daß sich bei der Abnahme nicht das Geringste vorgefunden hat, was zu Ausstellungen Veranlassung geben könnte und wird daher die Abnahme hiermit vollzogen. Zur guten Instandhaltung des Werkes ist es notwendig, das dasselbe jährlich etwa zweimal durchgestimmt und genau nachgesehen werde,
                                                                                                                  gez. R. Johne, Seminarlehrer & Orgelrevisor“ (6)

 

 

Ob mit dieser im letzten Augenblick geglückten Fertigstellung der Orgel die Wiedereinweihung der Stelzener Kirche nach den umfangreichen Baumaßnahmen wirklich am 5. November 1911 stattgefunden hat, konnte aus den gesichteten Unterlagen nicht entnommen werden. Angemerkt sei nur noch, dass in einer Zusammenstellung aller Baukosten für die Kirche Stelzen die Strebel-Orgel mit 3480,00 Mark (wie im Kostenvoranschlag geplant) aufgeführt wird. Einschließlich dieser Ausgaben für die neue Orgel kostete das ganze Bauvorhaben für die damaligen Verhältnisse die stattliche Summe von 16.582,02 Mark (6)

 

Abb. 15: Metallpfeifen der heutigen Orgel

 

 

Abschließend sei noch einmal aus einem Brief des Orgelbauers Johannes Strebel vom 2. Januar 1912 an den Lehrer Pankraz zitiert:

„[…] Es freut mich sehr, dass Sie und die Gemeinde mit der Orgel zufrieden sind und ich bin Ihnen für Ihre liebenswürdige Bereitwilligkeit meine Firma bei Gelegenheit weiter zu empfehlen, ausserordentlich dankbar […] Die Kosten für regelmäßige Revision und Stimmung der Orgel – es würde genügen, wenn eine solche jährlich ein Mal vorgenommen wird – betragen pro Register Mk. 1.40, also Mk. 15.40. Der Abschluss eines diesbez. Vertrages ist dringend zu empfehlen, damit die Orgel in gutem Zustand erhalten wird. Ich lege Ihnen 2 Verträge über regelmässige Revision und Stimmung bei und bitte Sie, mir einen, wenn der Kirchenvorstand zu dem Abschluss eines Vertrages bereit ist, unterzeichnet zurückzuschicken. Indem ich Ihnen, verehrter Herr Lehrer noch einmal für alle mir erwiesene Freundlichkeit herzlich danke, bin ich unter besten Grüssen, auch an Ihre werte Frau Gemahlin und Frl. Tochter

                                              Ihr sehr ergebener J. Strebel“ (6)

Der erwähnte Vertrag über die regelmäßige Revision und Stimmung der Orgel wird am 3. Januar 1912 von folgenden, für den Orgelbau zuständigen Personen unterzeichnet:


   Joh. Strebel       Ress, Pfarrer
                               F. Pankraz, stellv. Vors. d. Kirchenvorstand
                               Ernst Stößel, Schultheiß
                               Eduard Stößel, Schultheiß
                               E. Lutz, Schultheiß
                               Julius Schippel
                               Johann Rüger
                               Georg Langguth
Abb. 16: Originalhandschrift des Orgelbauers Johannes Strebel, Nürnberg 1909                              Albin Lutz
                                                                                                                                                     Joh. Georg Stößel
                                                                                                                                                     Friedrich Lützelberger


4. Schlusswort und Danksagung:

Der Autor dieser Schrift hat sich bemüht, die umfangreichen Aufzeichnungen im Kirchenarchiv, aber auch andere Quellen zum Sachverhalt zu studieren und die gefundenen Ergebnisse zu einem vollständigen Bild zusammen zu fügen. Dabei hat er um Genauigkeit und Vollständigkeit gerungen, so dass eine Schrift entstanden ist, die eigentlich nicht so umfangreich geplant war.
Mögen auch nicht alle Einzelheiten jedem Leser als wichtig erscheinen, so hofft er doch für zukünftige Generationen einige wertvolle historische Einblicke festgehalten zu haben. Zumal ihm bei dieser Arbeit sehr anschaulich bewusst wurde, dass das Aufarbeiten historischer Fakten immer unvollständig bleiben muss, weil es ein ständiger, von vielen Quellen gespeister Prozess ist. Für diese Tatsache sein dem Leser aus dieser Schrift ein Beispiel aufgezeigt:


Was im Kapitel 1, letzter Abschnitt über die Übermalung des Wandbildes „Maria Himmelfarth“ als Frage aufgeworfen wurde, konnte bei der weiteren Ausarbeitung (wahrscheinlich) geklärt werden. Wenn im Kapitel 3 der Neubau der Strebel-Orgel im Zusammenhang mit der großen Kirchenrenovierung 1910/11 erwähnt wird, so ist bei den „Kostenvoranschlägen, Titel V Tüncherarbeiten“ nachzulesen:

„565,50 qm alten Putz im Schiff und Altarhalle abzuschlagen, die Flächen gut nässen und frischen Kalkputz herstellen                                                                                                                                         622,05 Mark“ (6)

Wenn also die entsprechende Firma so gearbeitet hat, wie es das Kostenangebot vorsah, müssten die aus dem 15. Jahrhundert stammenden Wandgemälde abgeschlagen worden sein.
Die Fragen aus Kapitel 1 hätten sich somit schon beantwortet!


Trotzdem ist auch diese Schrift bestimmt an einigen Stellen unvollständig, unkorrekt oder vielleicht sogar falsch. Dem Autor ist dieser Fakt dadurch bewusst geworden, dass eine seiner Quellen nämlich (7) bezüglich den Umständen des Todes der Gebrüder Hofmann 1867 falsche Informationen enthält. So gehen die Autoren Ulrich Greiner und Michael Thein davon aus, dass die Gebrüder Hofmann an „Nervenfieber […] unmittelbar nach der Fertigstellung (der Orgel) und der Heimkehr von Stelzen“ (7) erkrankten. Dieser Ablauf konnte in vorliegender Schrift im Kapitel 2 richtiggestellt werden.
So sollten die hier einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemachten Informationen vielleicht weiteren interessierten Mitbürgern Anregung für eigene Nachforschungen in anderen Quellen dieser Zeit sein!


Es bleibt dem Autor dieser Schrift nur noch ein letzter aber wichtiger Punkt zu benennen:
Es ist ihm ein Herzensbedürfnis, allen denen Dank zu sagen, die ihn bei dieser aufwändigen Arbeit unterstützt haben. An dieser Stelle zu nennen sind:

Herr Klaus Pfrenger, der mir beim Entziffern der altdeutschen Schrift oft hilfreich zur Seite stand.
Frau Christa Vonderlind und Frau Martina Löbel, die die Schrift digitalisiert haben.
Herr Manfred Hartwig, der sich für das Layout verantwortlich fühlte.
Herr Holger Friese für die Lieferung vieler Fotos und für das Vervielfältigen der Schrift.

Allen noch einmal meinen herzlichen Dank!

Abb. 17: Ansicht der Orgel und der Empore in der Kirche zu Stelzen

Zum Abschluss möchte ich die Worte unseres verstorbenen Pfarrers Dieter Loew aufgreifen, die in der Stelzener Kirche nachzulesen sind:

„[…] Treten sie näher, liebe Gäste, werden sie still vor dem Allmächtigen, beten sie für die Bauern und Arbeiter in diesen Dörfern. Wir wünschen Ihnen, Sie möchten Glauben finden und sich durch den Herrn Christus zufrieden und froh, ruhig und getrost machen lassen. Er will uns in und an der Welt ja nicht verloren gehen lassen. Der Herr segne deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!“

Ich möchte persönlich ergänzen:

„Und lauschen sie dem Klang unserer Orgel, lassen sie sich verzaubern und entführen von ihrer Musik – beim nächsten Gottesdienst oder bei einem Orgelkonzert in der St. Marien-Kirche zu Stelzen.“

Dieter Hartwig

 

August 2011

Abb. 18: Kronleuchter in der Kirche von unten


5. Anhang


5.1. Dispositionen der Orgeln in der Kirche zu Stelzen:

a) Dotzauer-Orgel 1739:
Es konnten keine Angaben über die Disposition dieses Werkes in den Unterlagen gefunden werden.


b) Hofmann-Orgel 1868:

I. Manual: 

 

 

 

 

 

 

II. Manual:

 

 

Pedal: 

 

Nebenzüge:

Principal 8’
Bordun 16’
 Viola di Gamba 8’
Gedackt 8’
Octave 4’
Octave 2’
Mixture 3-fach

Flute d’amour 8’
Salicional 8’
Flauto dolce 4’

Subbaß 16’
Principalbaß 8’

Manualkoppel
Pedalkoppel


c) Strebel-Orgel 1911:

I. Manual: 

 

 

 

 

 

II. Manual:

 

 

 

Pedal: 

 

Nebenzüge:

 

 

 

2 pneumatische Collectiv-Druckknöpfe für feste Registerkombinationen mit 2 Stärkegraden:

 

Principal 8’               Intonation: voller, markiger Ton

Bordun 16’               weich
Flöte 8’                      weich und füllend
Octave 4’                  im Principalcharakter, doch etwas heller
Mixtur 2 2/3’            durchgreifend und glänzend, aber nicht schreiend
Viola di Gamba 8’    kräftig und stark streichend
Gedackt 8’                weich, angenehm füllend
Salicional 8’              weich und sanft streichend
Flauto amabile 4’    heller, klarer Flötenton
Subbaß 16’               stark, voll und grundtönig
Principalbaß 8’
Manualkoppel         Manual II und I koppelnd
Pedalkoppel I          Manual I und Pedal koppelnd
Pedalkoppel II         Manual II und Pedal koppelnd

mezzoforte (halbstarke Registrierung)

fortissimo (volles Werk)


5.2. Seelsorger der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Stelzen:

In Dankbarkeit sei hier aller Pfarrer gedacht, die seit 1528 für die Verbreitung des Evangeliums am Fuße des Bleßberges Sorge trugen und somit tiefgreifenden Einfluss auf das dörfliche Leben ausübten.

Reihenfolge der Pfarrer der „Sankt-Marien-Kirche“ zu Stelzen:

1) Nicolas Sonnefeld   
2) Jost Wasinger          
3) Sebastian Münch          
4) Michael Lutz              
5) Johann Decker                      
6) Sigmund Schramm                 
7) Nicolas Schubart                     
8) Paul Stößel                               
9) Michael Kupfer                        
                                                      
10) Johannes Haase                   
11) Michael Laurenti                    
12) Augustus Leonhard              
                                                       
13) Nicolaus Dreise                     
14) Johann Christoph Thilo          
15) Volcmar Bertuch              
16) Rudolphus Seeger           
17) Johann Stephan Rinck   

 
18) Johann Christoph Feuchter   
19) Johann Caspar Gnügen          
20) Johann Christoph Löhner      
21) Christoph Friedrich Faber      
22) Christion Gottlob Emmanuel Hummel                                  
23) Georg Christoph Büchner   
24) Friedrich Pfitz  
25) Daniel Göpfert  
26) Emil Franz Wilhelm Apel  
27) Georg Köhler  
28) Albin Voit    1891–1897
29) Alexander Bösemann 
30) Leopold Johannes Heinrich Friedrich Reichard
31) Karl Bernhard Max Rosenhauer
32) Karl Hugo Artur Siegfried Weber

1528–1545

1545–1549
1578–1596
ab 1580 Pfr. Münch „alterswegen adjungiert“ (1)
1596–1604
1605–1624
1624–1632
1634–1635
1635–1637
1637–1652  Vakanz, von Pfarrer Götz, Sachsendorf betreut
1652–1656
1657–1658 (Lehrer und Vize-Prediger, nicht ordiniert)
1659–1660 (Lehrer und Vize-Prediger, nicht ordiniert)
1661–1664 (nach Ordination Pfarrer)
1664–1665
1665–1671
1671–1677
1677–1706
ab 1703 Pfr. Seeger beigeordnet
1707–1719
1719–1746
1746–1749 (Vikar)
1747–1771 (?)
1771–1803
1813–1814 (Vikar)
1814–1857
1858–1859
1859–1873
1874–1877
1878–1888
1891–1897 (Vikar in Eisfeld, betreut Stelzen)
1898–1899 (Vikar)
1900–1903 (Vikar)
1904 (Vikar)
1904–? (Vikar)


Im Jahre 1905 wurde die Pfarrstelle Stelzen eingezogen. Seit dieser Zeit wird sie vom Pfarrer des Pfarramtes Sachsendorf, heute Sachsenbrunn seelsorgerisch betreut.


6. Quellenverzeichnis:


(1) Johann Werner Krauß: „Beyträge zur Erläuterung der Hochfürstlich. Sachsen–Hildburghausischen Kirchen- Schul– und Landes- Historie“


(2) Archiv der Kirchgemeinde Sachsenbrunn/Stelzen
Mappe 40 „Acten des Herzoglichen Pfarramtes zu Stelzen Betreffend XII. Kirchenvermögen 1815 -  1916“


(3) Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Prof. Dr. P. Lehfeldt, Verlag von Gustav Fischer, Jena 1903.


(4) Archiv der Kirchgemeinde Sachsenbrunn/Stelzen
Mappe 10 „Acten des Herzoglichen Pfarramtes zu  Stelzen Betreffend Bausachen und zwar Orgelneubau 1861–1870“


(5) Archiv der Kirchgemeinde Sachsenbrunn/Stelzen
Mappe 9 „Acten des Herzoglichen Pfarramtes zu  Stelzen Betreffend Bausachen, Bauten, Reparaturen an Kirche, Schule, Pfarrhaus 1851-1908“


(6) Archiv der Kirchgemeinde Sachsenbrunn/Stelzen
Mappe11„Acten des Herzoglichen Pfarramtes zu Stelzen Betreffend Kirchenumbau in Stelzen 1911


(7) Ulrich Greiner/Michael Thein: „Die Orgelbaufamilie Hofmann aus Neustadt bei Coburg und ihre Orgeln“, Neustadt bei Coburg 1991.